17. Dezember 2020
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Fall des Monats

Bayrisches Gericht verneint Übermittlung von sozialen Auswahlinformationen unterlegener Mitbewerber unter Namenspreisgabe

Kann der Personalrat verlangen, dass er die Namen der „unterlegenen Bewerber“ bekommt, wenn es zu viele Bewerber gab? Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof verneint das und steigt dabei tief in die DSGVO ein. Der tbb findet dieses Urteil auch für Thüringen interessant.

Das Verfahren betraf Datenschutzfragen zur Unterrichtung der Personalvertretung durch die Dienststelle bei der Mitbestimmung anlässlich der Versetzung von Arbeitnehmern (nicht von Beamten) ohne Bestenauslese. Im Kern ging es um die Frage, ob der Personalvertretung auch hinsichtlich solcher Arbeitnehmer, die für Versetzungen zur Auswahl stehen, aber von der Dienststelle gerade nicht ausgewählt werden, Angaben unter Nennung des Namens zu übermitteln sind oder ob insoweit anonymisierte Daten ausreichen.

Im Rahmen der Mitbestimmung der Personalvertretung über Arbeitnehmerversetzungen ohne Bestenauslese kann die namentliche Übermittlung sozialer Auswahldaten über Beschäftigte, die eine Versetzung beantragen, aber nicht zum Zuge kommen, einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) bzw. das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRCh) darstellen, im Vergleich zu dem der Informationsanspruch der Personalvertretung nach bayerischem Landesrecht nicht pauschal überwiegt, was einem generellen Anspruch der Personalvertretung auf eine nicht anonymisierte Preisgabe dieser Auswahldaten entgegensteht, so der Bayrische Verwaltungsgerichtshof.

Anspruch ergibt sich nicht aus Mitbestimmungsrecht und Informationsanspruch

Dabei beginnt das Gericht mit einer konkreten Vorschrift des Personalvertretungsrechts, nämlich Art. 69 Abs. 2 Satz 3 Bayerisches Personalvertretungsgesetz. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut (vergl. § 68 Abs. 2 Satz 7 ThürPersVG): „Bei einer Einstellung, Beförderung und Übertragung der Dienstaufgaben eines anderen Amtes mit höherem Endgrundgehalt oder höherer Amtszulage für eine Dauer von mehr als sechs Monaten kann der Personalrat auch die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderliche Vorlage von Bewerbungsunterlagen verlangen.“ Der Personalrat hat die Auffassung vertreten, dass ihm schon aufgrund dieser Vorschrift ein Anspruch auf Nennung der Namen zustehe.Das verneint das Gericht unter mehreren Gesichtspunkten:

Zunächst weist es darauf hin, dass diese Regelung lediglich von Einstellungen, Beförderungen und Übertragung anderer Dienstaufgaben spricht, Versetzungen jedoch gerade nicht erwähnt. Der Wortlaut spricht also gegen einen derartigen Anspruch.

Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich dasselbe. Ursprünglich sollte die Regelung nämlich nur Einstellungen erfassen. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde sie dann auf weitere Konstellationen (Beförderungen und Übertragung anderer Dienstaufgaben) erstreckt, jedoch gerade nicht auf Versetzungen. Daraus zieht das Gericht den Schluss, dass der Gesetzgeber diese Konstellation bewusst nicht erfassen wollte.

Um das Ergebnis weiter abzusichern, zieht das Gericht außerdem noch das Kriterium der verfassungskonformen Auslegung heran. Das hohe Gewicht des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung spräche dagegen, dass eine erweiternde Auslegung der Vorschrift zulässig sei. Anders als ein privater Arbeitgeber sei die staatliche Verwaltung unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Deshalb würden für Auskünfte einer Dienststelle an den Personalrat strengere Grundsätze gelten als für die Erteilung von Auskünften durch einen Arbeitgeber an den Betriebsrat.

Auch auf die Regelungen des Art. 69 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Bayerisches Personalvertretungsgesetz lässt sich nach Auffassung des Gerichts ein Anspruch auf Nennung der Namen nicht stützen. Diese Sätze haben folgenden Wortlaut (vgl. § 68 Abs. 2 Satz 1 ThürPersVG): „Der Personalrat ist zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Ihm sind die hierfür erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.“

Kein Anspruch aus „erforderlicher Umfang“

Nach Auffassung des Gerichts scheitert ein Anspruch daran, dass der Personalvertretung nur die „erforderlichen“ Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind. Bei der Klärung der Frage, was als „erforderlich“ anzusehen ist, sind nach Auffassung des Gerichts folgende Aspekte zu beachten:

Der Begriff ist streng aufgabenbezogen zu interpretieren. Bevor festgestellt wird, was erforderlich ist, muss also zunächst genau feststehen, worin die Aufgabe besteht, um die es geht. Der Begriff setzt eine wertende Betrachtung voraus, bei der auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu berücksichtigen ist. Außerdem ist zu beachten, dass Datenübermittlungen an den Personalrat nicht gegen Datenschutzvorgaben des EU-Rechts verstoßen dürften.

Keine Rechtsgrundlage aus Art. 6 DSGVO

Auch aus Art. 6 DSGVO ergibt sich keine Rechtsgrundlage für die gewünschte Übermittlung von Namen:

In der bloßen Äußerung eines Versetzungswunsches liegt keine Einwilligung darin, dass der Namen durch die Dienststelle an die Personalvertretung übermittelt wird. Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a DSGVO (Vorliegen einer Einwilligung) scheidet damit als Rechtsgrundlage aus.

Auf Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchstabe c (Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung) lässt sich ebenfalls nicht als Rechtsgrundlage zurückgreifen. Dort ist wiederum der Maßstab der Erforderlichkeit angeführt. Gegen die Erforderlichkeit gelten jedoch die bereits oben angeführten Argumente. Insbesondere spricht gegen die Erforderlichkeit die besondere Sensibilität, die mit einer namensbezogenen Übermittlung von Daten verbunden wäre.

Dabei ist zu bedenken, dass namentliche Angaben zu sozialen Auswahlkriterien bis in intime private und gesundheitliche Themen hineinreichen können und dass es dabei oft auch um die Daten von Dritten (Kinder, Ehegatten oder pflegebedürftige Verwandte) geht. Die namensbezogene Übermittlung wäre deshalb ein schwerwiegender Eingriff.

In einer solchen Übermittlung läge auch ein Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz gemäß Art. 8 der Europäischen Grundrechte Charta. Er wäre aus den dargestellten Gründen nicht zu rechtfertigen.

Anwendung im konkreten Fall

Angewandt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Aufgabe der Personalvertretung ist es, etwaige Verstöße gegen Rechtsregeln festzustellen, die es für Versetzungen gibt, die Besorgnis ungerechtfertigter Benachteiligungen zu prüfen und die Frage, ob ein Beschäftigter möglicherweise den Frieden in der Dienststelle stört. Diese Maßstäbe für die Aufgabe der Personalvertretung ergeben sich aus Art. 75 Abs. 2 Bayerisches Personalvertretungsgesetz.

Im Prinzip kann die Personalvertretung diese Maßstäbe auch anhand von anonymisierten Daten (also von Daten ohne Namen der betroffenen Person) überprüfen. Dies gilt insbesondere für die Prüfung etwaiger ungerechtfertigter Benachteiligungen anhand von Kriterien der Sozialauswahl.

Auch auf der Basis von anonymisierten Angaben lässt sich ein Ranking anhand von Kriterien der Sozialauswahl aufstellen. Dabei können etwa folgende Kriterien berücksichtigt werden: gesundheitlicher Zustand der jeweiligen Bewerber, die Anzahl der Angehörigen, die Distanz zwischen Wohnort und Dienstort, das Alter, die Dauer der Dienstzugehörigkeit und die Zeit des Wartens auf die gewünschte Versetzung. Den Namen der betroffenen Person zu kennen, ist dafür nicht erforderlich.

Wendet sich ein betroffener Bewerber mit einer Beschwerde an die Personalvertretung, dann kann die Personalvertretung anhand seiner Angaben einen Vergleich mit dem Ranking vornehmen. Die in dieser Weise anonymisierten Daten genügen somit auch bei der Bearbeitung von Beschwerden als Basis.

Zum Urteil des VGH München, Beschluss v. 21.05.2019 – 17 P 18.2581:

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