08. Februar 2021
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Covid-19

Covid-19 Infektion als Arbeits- oder Dienstunfall?

Bestimmte Beamtengruppen wie Polizei- und Justizvollzugsbeamte, Gerichtsvollzieher oder Lehrer sind im dienstlichen Alltag den Infektionsrisiken durch das Virus allgemein und situativ stärker als die Normalbevölkerung ausgesetzt. Der Beitrag behandelt insoweit die Frage, ob und unter welchen Umständen bei einer Infektion Dienstunfallschutz besteht.

COVID-19 als Arbeitsunfall (Quelle DGUV)

Für gesetzlich Unfallversicherte (Tarifbeschäftigte) hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Empfehlungen für die Anerkennung einer Infektion mit SARS-Cov-2 als Versicherungsfall erarbeitet:

Erfolgt eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 infolge einer versicherten Tätigkeit, ohne dass die Voraussetzungen einer Berufskrankheit vorliegen, kann die Erkrankung einen Arbeitsunfall darstellen.

Dies setzt voraus, dass die Infektion auf die jeweilige versicherte Tätigkeit (Beschäftigung, (Hoch-)Schulbesuch, Ausübung bestimmter Ehrenämter, Hilfeleistung bei Unglücksfällen o.a.) zurückzuführen ist.

In diesem Rahmen muss ein intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person ("Indexperson") nachweislich stattgefunden haben und spätestens innerhalb von zwei Wochen nach dem Kontakt die Erkrankung eingetreten bzw. der Nachweis der Ansteckung erfolgt sein.

Die Intensität des Kontaktes bemisst sich dabei vornehmlich nach der Dauer und der örtlichen Nähe.

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel vom 20. August 2020 geht von einer Kontaktdauer von mindestens 15 Minuten bei einer räumlichen Entfernung von weniger als eineinhalb bis zwei Metern aus. Im Einzelfall kann auch ein zeitlich kürzerer Kontakt ausreichen, wenn es sich um eine besonders intensive Begegnung gehandelt hat. Umgekehrt kann dies für einen längeren Kontakt gelten, obwohl der Mindestabstand eingehalten wurde.

Lässt sich kein intensiver Kontakt zu einer Indexperson feststellen, kann es im Einzelfall aber ausreichen, wenn es im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld (z.B. innerhalb eines Betriebs oder Schule) der betroffenen Person nachweislich eine größere Anzahl von infektiösen Personen gegeben hat und konkrete, die Infektion begünstigende Bedingungen bei der versicherten Tätigkeit vorgelegen haben. Dabei spielen Aspekte wie Anzahl der nachweislich infektiösen Personen im engeren Tätigkeitsumfeld, Anzahl der üblichen Personenkontakte, geringe Infektionszahlen außerhalb des versicherten Umfeldes, räumliche Gegebenheiten wie Belüftungssituation und Temperatur eine entscheidende Rolle.

Hat der Kontakt mit einer Indexperson auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg stattgefunden und ist in der Folge eine COVID-19-Erkrankung aufgetreten, kann unter den aufgeführten Bedingungen ebenfalls ein Arbeitsunfall vorliegen. Insbesondere ist hier an vom Unternehmen organisierte Gruppenbeförderung oder Fahrgemeinschaften von Versicherten zu denken.

Im Ergebnis ist in jedem Einzelfall eine Abwägung erforderlich, bei der alle Aspekte, die für oder gegen eine Verursachung der COVID-19-Erkrankung durch die versicherte Tätigkeit sprechen, zu berücksichtigen sind. Nur die Infektion, die infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten ist, erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles.

Covit-19 als Dienstunfall

Der Beamte befindet sich in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zu seinem jeweiligen Dienstherrn (Art. 33 Abs. 4 GG). Adressat seiner Dienstleistung ist und bleibt die Allgemeinheit. Bei Beamten wird vom Gesetz und vom Dienstherrn verlangt, dass sie in bestimmten Positionen in gewissem Umfang das Risiko auf sich nehmen, bei der Dienstausübung die Beeinträchtigung persönlicher Rechtsguter (z. B. Gesundheit) zu riskieren. In manchen Bereichen wie der Polizei reicht dies bei Einsätzen sogar bis hin zur Gefährdung des eigenen Lebens. Im Gegenzug ist der Dienstherr im Falle eines Dienstunfalls nach den Versorgungsgesetzen von Bund und Ländern als Ausprägung der allgemeinen Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) zur besonderen Unfallfürsorge verpflichtet.

BeamtInnen sind über die Dienstunfallfürsorge ihres Dienstherrn abgesichert. Dabei ist jede Behörde für die Ausgestaltung des Verfahrens der Unfalluntersuchung selbst verantwortlich. Es gibt keine (einheitliche) Handlungsempfehlung und zudem auf Grund des föderalisierten Beamtenrechts Unterschiede zwischen den 17 Dienstherren. Ob eine COVID-19-Infektion als Dienstunfall anerkannt werden kann, ist daher nicht pauschal beantwortbar.

Bekannt wurde, dass Anträge von BeamtInnen auf Anerkennung der Infektion als Dienstunfall mit der Begründung abgelehnt wurden, es liege eine Pandemielage vor. Diese bedinge eine Allgemeingefahr, da in einem bestimmten Gebiet alle Menschen mehr oder minder gleich bedroht seien. Mit einer Infektion realisiere sich also kein in der konkreten Tätigkeit liegendes Risiko.

Hat eine Beamtin oder ein Beamter also den Verdacht, dass eine vorliegende Infektion während der Ausübung des Dienstes geschehen ist, sollte auf jeden Fall eine Dienstunfallanzeige beim Dienstvorgesetzten erfolgen. Auch sollten umfassende Aufzeichnungen der beruflichen und privaten Kontakte erstellt werden, um ggf. rekonstruieren zu können, wann und wo sowie durch wen es zur Infektion kam. In Thüringen ist dies in §§ 25 ff. ThürBeamtVG geregelt.

Gemäß § 26 ThürBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist.

Die rechtlichen Voraussetzungen besagen unter anderem, dass der jeweilige Infektionszeitpunkt eindeutig bestimmbar sein und ein Ursachenzusammenhang zwischen der Infektion, der dienstlichen Tätigkeit und der Erkrankung bestehen müsse. Die Beweislast liegt dabei beim betroffenen Beamten.

Das BVerwG hält es im Rahmen des Dienstunfallrechts demnach für „fast ausnahmslos“ ausgeschlossen, dass sich die Ansteckung mit einer Infektionskrankheit mit der erforderlichen Genauigkeit bestimmen lasst (BVerwG, Beschl. v. 19.01.2006 – 2 B 46.05, juris, Rn. 6; für zwei seltene Ausnahmen bzgl. einer Borreliose bzw. eines Zeckenbisses s. BVerwG, Urt. v. 25.02.2010 – 2 C 81/08, juris, Rn. 14 – 16; OVG Saarland, Urt. v. 22.04.2009 – 1 A 155/08, juris, Rn. 31 – 36). Hinzu kommt, dass es angesichts der Pandemielage mit umfassenden Ansteckungsmöglichkeiten im Privatsektor in aller Regel nicht ausgeschlossen ist, dass sich der Beamte im Privatleben angesteckt hat, da selbst in Zeiten eines weiten Kontaktverbotes regelmäßig noch Kontakte zu etwaigen unter demselben Dach lebenden Angehörigen und zu anderen Mitmenschen, etwa beim Einkaufen, existieren.

Ein Ursachenzusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit liegt demnach nur dann vor, wenn das Infektionsereignis "über das allgemeine Ansteckungsrisiko hinaus in besonderer Weise durch die Dienstausübung verursacht wurde". Zu denken wäre dabei zum Beispiel daran etwa durch vorsätzliches Anspucken eines Polizeibeamten durch eine infizierte Person (Beispiel, keine gesicherte Rechtsprechung). Bei dienstlichen Alltagssituationen wie dem üblichen Umgang mit Kollegen liege in einer Pandemie jedoch ein allgemeines Risiko vor, das derzeit alle treffen könne.

Der Gesetzgeber hat die generelle Möglichkeit, sich im Dienst mit einer Infektionskrankheit anzustecken gesehen und in § 26 Abs. 3 ThürBeamtVG aufgeschrieben. Dies gilt jedoch nur für Krankheiten, die in der Berufskrankheiten-Verordnung aufgeführt sind.

Der tbb wird sich gegenüber der Landesregierung dafür einsetzen, dass auch eine Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit erfolgt.

tbb-konkret als PDF

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