03. Dezember 2021
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Amtsangemessene Alimentation

Klage erheben! Rechte sichern.

Das Gesetz zur Gewährleistung einer verfassungsgemäßen Alimentation sowie über die Gewährung einer Anerkennungsleistung für ehemalige angestellte Professoren neuen Rechts (LT-Drs. 7/3575) ist am 30. November 2021 verkündet worden und in Kraft getreten.

Gesetz und Verordnungblatt 28/2021.

Mehr als 14.000 Beamtinnen und Beamte hatten 2020 nach der Rechtsprechung des BVerfG Widerspruch gegen ihre Besoldung eingelegt. Der Thüringer Besoldungsgesetzgeber hat in Reaktion auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020 vorrangig die Kinderzuschläge angehoben. Daneben wurden nur in A6/ A7 die Stufe 1 gestrichen. Mit dem Dezembergehalt (gilt für die Landesbeamten) werden Auszahlungen rückwirkend für die Jahre 2020 und 2021 getätigt. Ein Großteil der Beamtinnen und Beamten, die Widerspruch eingelegt haben, werden damit leer ausgehen. Im Dezember und Januar werden die zu erwartend abschlägigen Widerspruchsbescheide versandt. Dann sollten Sie Ihre Rechte wahren und Klage erheben!

Vorbemerkung – Wichtig!

Alle hier gemachten Ausführungen sind nur aus unserem Rechtsempfinden und der bislang gewonnenen Erfahrungen heraus getätigt. Es handelt sich NICHT um eine Rechtsberatung, kann diese auch nicht ersetzen und die Ausführungen sind alle ohne Gewähr.

Nur Klageerhebung ermöglicht Teilhabe.

Der Beamte hat sich aktiv um seine Belange zu kümmern und das bedeutet, er hat sich gegen die Höhe seiner Besoldung zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen zu wehren. Kommt er dem nicht oder nicht ausreichend nach, braucht ihn der Besoldungsgesetzgeber bei Nachzahlungen nicht zu berücksichtigen (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss v. 21.02.2019 - 2 C 50.16 -, Rn. 35 https://www.bverwg.de/210219U2C50.16.0). Kurz: Wer sich in einem Haushaltsjahr nicht wehrt, bekommt für diesen Zeitraum nichts. Das bedeutet aber auch: neben der Klageerhebung Widerspruch für 2021 nicht vergessen. Ein Muster für die Widerspruchserhebung in 2021 finden Sie hier.

 

Ich habe eine Widerspruchs-/Abhilfebescheid erhalten. Soll ich Klage einreichen?

Ja. Aber Achtung: Sie haben nur einen Monat Zeit für die Klageerhebung. Das gerichtliche Verfahren wird durch eine Klage beim Verwaltungsgericht eingeleitet; sie ist grundsätzlich erst möglich, wenn nach der Behördenentscheidung das Widerspruchsverfahren durchgeführt und mit einem Widerspruchsbescheid abgeschlossen wurde. Die Klage muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Für Klagen aus dem Beamtenverhältnis sind grundsätzlich die Verwaltungs­gerichte zuständig. Örtlich zuständig ist das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Beamtin oder der Beamte ihren oder seinen dienstlichen Wohnsitz hat (§ 52 Abs. 4 VwGO). Das ist der Ort, an dem die Behörde, bei der die Beamtin oder der Beamte beschäftigt ist, ihren Sitz hat. In Thüringen gibt es drei Verwaltungsgerichte, in Meiningen (zuständig für Landkreise Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen, Sonneberg, Wartburgkreis und die kreisfreie Stadt Suhl), Weimar (zuständig für die Landkreise Eichsfeld, Gotha, Ilm-Kreis, Kyffhäuserkreis, Nordhausen, Sömmerda, Unstrut-Hainich-Kreis, Weimarer Land und die kreisfreien Städte Erfurt und Weimar) und Gera (zuständig für die Landkreise Altenburger Land, Greiz, Saale-Holzland-Kreis, Saale-Orla-Kreis, Saalfeld-Rudolstadt sowie die kreisfreien Städte Gera und Jena).

Wegen der strikten Gesetzesbindung der Besoldung sowie des Gestaltungsspielraums des Besoldungsgesetzgebers sind Beamte darauf angewiesen, ihren Alimentationsanspruch durch Erhebung einer Feststellungsklage mit dem Inhalt geltend zu machen, ihr Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen. Teilt das Verwaltungsgericht diese Beurteilung, so ist das Verfahren auszusetzen, und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, einzuholen, Art. 100 Abs. 1 GG.

 

Soll ich wirklich gegen meinen Dienstherrn klagen?  

Ja! Beamte dürfen nicht streiken. Die einzige Möglichkeit, ihre Bezüge überprüfen zu lassen, sind daher Widerspruch und Klageerhebung. Wenn Sie überzeugt sind, dass Ihre Besoldung nach wie vor den Anforderungen, die das BVerfG gemacht hat, nicht gerecht wird, bleibt Ihnen nur der Klageweg! Nutzen Sie ihn und sichern sich, dass sie von einer Gesetzesänderung auch rückwirkend zum Zeitpunkt ihrer Widerspruchserhebung partizipieren. Der tbb wir selbst einige Klagen begleiten und finanzieren.

 

Ich profitiere von der Erhöhung der Kinderzuschläge, soll ich trotzdem klagen?

Ja. Wir argumentieren, dass durch die Anhebung der Kinderzuschläge das Abstandsgebot weiterhin verletzt bleibt. Damit macht eine Klage auch in diesen Fällen Sinn. Sollte dies so entschieden werden, kann es sein, dass Beamtinnen und Beamte, die bereits von der Erhöhung der Kinderzuschläge profitiert haben, wesentlich geringer von einer Neuregelung finanziell profitieren.

 

Ich bin Versorgungsempfänger, sollte ich auch klagen?

Ja. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht noch kein speziell auf die Amtsangemessenheit von Versorgungsbezügen zugeschnittenes Prüfsystem entwickelt. Die Kriterien zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation hat das Bundesverfassungsgericht bisher ausschließlich zur Besoldung entwickelt. Es erscheint jedoch folgerichtig, die hierzu entwickelten Parameter auch für die Versorgung gelten zu lassen: Die Amtsangemessenheit der Besoldung und der Versorgung sind an demselben verfassungsrechtlichen Maßstab, nämlich dem aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Alimentationsprinzip, zu messen. Die Beamten müssen sowohl für das Gehalt während der aktiven Dienstzeit als auch für die Phase des Ruhestandes über ein Nettoeinkommen verfügen, dass ihre rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihnen und ihren Familien über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus einen dem Amt angemessenen Lebenskomfort ermöglicht. Liegen hinreichende Indizien für eine Verfassungswidrigkeit der Besoldung vor, ist nicht ersichtlich, wie von einer solchen in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessenen Grundlage ausgehend, eine amtsangemessene Versorgung errechnet werden soll. Von dieser Parallelität geht auch das VG Berlin in seinem Vorlagebeschluss zum BVerfG aus (Beschluss vom 25.10.2021 - 7 K 456/20 https://openjur.de/u/2374444.html).

 

KEIN gewerkschaftlicher Rechtsschutz bei Masseverfahren.

Unser Bundesdachverband dbb hat erklärt, dass er Rechtsschutzverfahren zu Besoldungsfragen die eine große Menge an Personen betreffen (sog. Massenverfahren) nicht unterstützt. Dies ist zudem in der Rahmenrechtsschutzordnung des tbb ebenfalls so geregelt. Fragen zu einer amtsangemessenen Alimentation betreffen jedoch naturgemäß alle Beamtinnen und Beamten. In Thüringen sind das ca. 33.000 Landes- und Kommunalbeamte, die von einer Änderung des Besoldungsgesetzes betroffen wären. Der tbb und seine Fachgewerkschaften, können diese große Anzahl an Verfahren finanziell nicht stemmen. Wir können daher nur durch Informationen und Musteranträge/Widersprüche, sowie einzelne bereits in Auswahl befindliche Musterklagen den Mitgliederinnen und Mitgliedern zur Seite stehen.

Das Thüringer Finanzministerium, hat eine klare Absage zu einer  Musterklagevereinbarung erteilt. Damit muss jeder Beamte, nach Erhalt des Widerspruchsbescheids, den Klageweg selbst beschreiten.

 

Private Rechtsschutzversicherung anfragen!

Sofern Sie beruflichen Rechtsschutz versichert haben, fragen Sie Ihre private Rechtsschutzversicherung, ob eine Klageerhebung hiervon gedeckt wäre (sog. Deckungszusage). Klären Sie auch, ob sie über die Versicherung an eine Kanzlei gebunden sind. Mit der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung können Sie sich an eine Kanzlei wenden. Bitte beachten Sie jedoch in jedem Fall die laufende Frist zur Klageerhebung von nur 1 Monat!

Sollten Sie keine Rechtsschutzversicherung haben folgender Hinweis: Jeder kann in der ersten Instanz seine Klageschrift selbst fertigen und dem Verwaltungsgericht zusenden, ein Rechtsanwaltszwang besteht nicht. Eine Musterklageschrift wurde z.B. auf dieser Seite veröffentlicht: https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2017/12/Klagebegr%C3%BCndung.pdf.

 

So könnte eine Anfrage zur Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung aussehen:

 

Deckungsanfrage Versicherung XY

Amtsangemessene Alimentation

Meine Widersprüche vom (…)

Sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem ich zum XX.XX.XXXX sowie (…) bereits Widerspruch gegen die Höhe der in dem jeweiligen Jahr festgelegten Besoldung eingelegt habe (vgl. dazu die beigefügten Schreiben), beabsichtige ich nunmehr, gegenüber meiner Personalstelle auf einen Widerspruchsbescheid hinzuwirken und sodann Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. In diesem Zusammenhang würde ich mich gerne von einem Rechtsanwalt vertreten lassen.

Vor dem Hintergrund des Vorlagebeschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.09.2017 (Az. …) ist von guten Erfolgsaussichten einer insoweit einschlägigen Feststellungsklage auszugehen.

Ich bitte daher um kurzfristige Deckungszusage für das Widerspruchsverfahren sowie für das verwaltungsgerichtliche Klageverfahren 1. Instanz.

Mit freundlichen Grüßen

XYZ

 

Was mache ich, wenn ich keine Rechtsschutzversicherung habe oder wenn ich ohne Anwalt klagen möchte?

Grundsätzlich seien Sie beruhigt: in der ersten Instanz besteht vor den Verwaltungsgerichten erstmal kein Anwaltszwang. Sie können also auch allein Klage erheben. Dafür werden wir Ihnen zeitnah auf unseren Seiten ein Klagemuster zur Verfügung stellen.

Bei der Verwendung der elektronischen Form sind besondere Voraussetzungen zu beachten, die § 55a VwGO, § 174 ZPO und der bundeseinheitlichen Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) entnommen werden können.

Die schriftliche Klageschrift sollte mindestens Folgendes enthalten:

·        den Namen der Klägerin bzw. des Klägers und die vollständige Anschrift

·        die Bezeichnung des Verfahrensgegners (Beklagter)

·        Angaben zum Streitgegenstand

·        nach Möglichkeit einen konkreten und sachdienlichen Antrag und

·        die eigenhändige Unterschrift.

Wenn es an einem dieser Punkte fehlt, läuft man Gefahr, dass die Klage als unzulässig angesehen wird. Allerdings besteht in vielen Punkten die Möglichkeit einer Nachbesserung. Der Klageschrift sollten Abschriften für den Verfahrensgegner und der streitige Bescheid in Kopie beigefügt werden. Eine Klagebegründung muss nicht sofort vorgelegt werden; sie kann später nachgereicht werden. Das Gericht wird dafür eine Frist setzen. Wir werden hierfür auch Muster, die jedoch individualisiert werden müssen, auf die Homepage stellen.

Die Gerichtskosten für die erste Instanz betragen 483 €* (ohne Anwaltskosten).

* Korrektur am 28. März 2022

 

Was passiert mit meiner Klage in der ersten Instanz?

Dies wird der Richter entscheiden. Mit Zustimmung der Beklagten könnten Klagen ruhend gestellt werden, auch eine Aussetzung käme in Betracht. Ist das angerufene Verwaltungsgericht von der Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Besoldungsnorm überzeugt, legt es das Verfahren dem Verfassungsgericht vor (vgl. Art. 100 Absatz 1 GG). Dieser Verfahrensschritt hat für den klagenden Beamten zur Folge, dass er die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bzw. des im Einzelfall zuständigen Landesverfassungsgerichts und eine danach gebotene Neuregelung des Besoldungsanspruchs durch den Gesetzgeber abwarten muss.

Hat das angerufene Verwaltungsgericht selbst keine durchgreifenden Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der fraglichen Besoldungsnorm, so kann es, falls ein anderes Gericht gegenteiliger Ansicht ist und die streitgegenständlich gleich gelagerte Sache dem Verfassungsgericht vorgelegt hat, das Klageverfahren in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO bis zur verfassungsgerichtlichen Klärung aussetzen (BVerwG 26.2.2015 – 2 C 1.14, ES /A II 4.5 Nr. 7).

Stellt das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit der Besoldungsnorm/-normen mit dem Grundgesetz fest, folgt daraus grundsätzlich die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rechtslage verfassungsgemäß umzugestalten.

 

Was bekomme ich im Falle einer positiven Entscheidung beim BVerfG zurück?

Nun, da wären die Gerichtskosten und einen kleinen Teil der Rechtsanwaltskosten (exakte Angaben sind uns hier nicht möglich, aber es werden vermutlich kaum 1.000,00 € sein) Durch das BVerfG werden im günstigen Fall die Besoldungsanpassungsgesetze als verfassungswidrig deklariert und der Thüringer Gesetzgeber aufgefordert, Nachzahlungen zu veranlassen. Dies können bei frühzeitiger Anspruchsstellung mehrere tausend Euro sein.

 

Bin ich auf der sicheren Seite, wenn ich geklagt habe?

Ja, die Ansprüche für den zurück reichenden Klagezeitraum sind gesichert. Das befreit aber nicht davon, für die Zeit NACH der Klage auch weiterhin Widerspruch einzureichen, solange das derzeitige System in Thüringen nicht geändert wird.

 

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tbb-Info zur Klageerhebung als PDF

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