19. November 2021
Auf Facebook teilenAuf Twitter weitersagenArtikel versenden

Amtsangemessene Alimentation

Widerspruch auch in 2021 einlegen

Das Gesetz zur Gewährleistung einer verfassungsgemäßen Alimentation wurde am 22. Oktober 2021 vom Thüringer Landtag von den Regierungsfraktionen beschlossen. Bislang steht nur noch die Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt aus. Das Gesetz sieht vor, dass rückwirkend zum 1. Januar 2020 in den Besoldungsgruppen A 6 und A 7 jeweils die Erfahrungsstufen 1 gestrichen und die kinderbezogenen Familienzuschläge für alle Besoldungsgruppen in gleicher Höhe angehoben werden. Der tbb hält das Gesetz trotz der massiven Anhebung der Familienzuschläge für weiterhin nicht mit den Vorgaben des BVerfG zu einer amtsangemessenen Alimentation vereinbar. Allen Beamten und Richtern kann nur dringend empfohlen werden, weiterhin jährlich Widerspruch gegen ihre Besoldung einzulegen, um an rückwirkenden Besoldungserhöhungen teilzuhaben. Der tbb stellt insoweit wiederum einen Musterwiderspruch 2021 – so wie in den letzten Jahren - zur Verfügung.

Vorabbemerkung – Wichtig!

Alle hier gemachten Ausführungen sind nur aus unserem Rechtsempfinden und der bislang gewonnenen Erfahrungen heraus getätigt. Es handelt sich NICHT um eine Rechtsberatung, die nur von juristischer Seite aus erfolgen kann, kann diese auch nicht ersetzen und die Ausführungen sind alle ohne Gewähr.

Wir haben doch jetzt eine Änderung durch Gesetz, warum empfiehlt ihr einen Widerspruch?

Beamtinnen und Beamte haben Anspruch auf Erhalt einer jeweils amtsangemessenen Alimentation nach Art. 33 Abs. 5 GG. 

Dazu hat das Bundesverfassungsgericht in grundlegenden und umfassenden Entscheidungen (vgl. nur Bundesverfassungsgericht, Zweiter Senat, Beschluss vom 17. November 2015 zur sog. A-Besoldung – Az.: 2 BvL 5/13 und Bundesverfassungsgericht, Zweiter Senat, Beschluss vom 23. Mai 2017 – Az. 2 BvR 883/14 – und Az. 2 BvR 905/14 -) ausdrückliche und verbindliche Festlegungen getroffen.

Das Abstandsgebot untersagt dem Besoldungsgesetzgeber, ungeachtet seines weiten Gestaltungsspielraums, den Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen, dauerhaft einzuebnen. Jedem Amt ist eine Wertigkeit immanent, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die „amts“angemessene Besoldung ist damit eine notwendigerweise abgestufte Besoldung. Die Parameter dazu, wurden in der Entscheidung vom 23. Mai 2017 (vgl. BVerfG 2 BvR 883/14) in den Rz. 63 bis 86 aufgezeigt. 

Diese Vorgaben hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2020 (vgl. BVerfG 2 BvL 4/18) zur Besoldung von Richterinnen und Richter im Land Berlin ausdrücklich bestätigt, konkretisiert und die Berechnungsparameter präzisiert. Dabei wurde dem Besoldungsgesetzgeber wiederholt untersagt, ungeachtet seines weiten Gestaltungsspielraumes, den Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen dauerhaft einzuebnen, auch wurde das Abstandsgebot zum allgemeinen Grundsicherungsniveau als ein eigenständig hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums hervorgehoben. Den mit Art. 33 GG vorgegebenen und durch die Rechtsprechung ausgeschärften Vorgaben ist der Besoldungsgesetzgeber in Thüringen auch im Jahr 2021 nicht nachgekommen.

Die Änderungen des Thüringer Besoldungsgesetztes durch Beschluss des Landtages vom 22.10.2021 ebnen den Abstand zwischen den verschiedenen Besoldungsgruppen, zumindest für die Zeit, wo ein Besoldungsempfänger Anspruch auf Familienzuschlag für Kinder erhält, dauerhaft ein. Je nach Fallkonstellation kann es dann vorkommen, dass Bedienstete im Eingangsamt A7 mittlerer Dienst, höher besoldet werden als Bedienstete des gehobenen Dienstes (Eingangsamt A9), ja sogar des höheren Dienstes (Eingangsamt A13) bzw. der Endstufe des höheren Dienstes (A16). 

Der tbb befürchtet, dass im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Besoldung weiterhin nicht ausreichend und das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen nicht gewahrt ist.

WICHTIG: Diese Einschätzung ist nur aus unserem Rechtsempfinden und der bislang gewonnenen Erfahrungen sowie den Gutachten von Prof. Dr. Battis und dem wissenschaftlichen Dienst des Thüringer Landtags heraus getätigt. Es handelt sich NICHT um eine Rechtsberatung, die nur von juristischer Seite aus erfolgen kann, kann diese auch nicht ersetzen und die Ausführungen sind alle ohne Gewähr.

 

Wie kann ich Widerspruch einlegen in 2021?

In der Besoldungsrechtsprechung gilt der Grundsatz der “zeitnahen Geltendmachung”. Eine Rückwirkung für vorhergehende Jahre (z.B. innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist) ist nicht möglich, denn diese Verjährungsfrist gilt nur für gesetzlich geregelte Ansprüche. Verfassungswidrige Besoldungsansprüche sind jedoch nicht gesetzlich geregelt. Solche Ansprüche bestehen erst ab demjenigen Haushaltsjahr, in dem der Beamte gegenüber seinem Dienstherrn erstmals geltend gemacht hat, dass er seine Alimentation entgegen Art. 33 Abs. 5 GG für unzureichend hält.

Der Widerspruch kann nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn er fristgerecht eingereicht wird. Aus Beweisgründen für eine rechtswirksame Zustellung grundsätzlich schriftlich gegen Empfangsbekenntnis. Eine einfache E-Mail genügt nicht.

Auch für das Jahr 2021 stellen dbb/tbb mit den als Anlagen beigefügten Anträgen / Widersprüchen entsprechende Muster zur Verfügung, um es den Mitgliedern zu ermöglichen, eigenständig ihre Rechte bei ihren Dienstherren noch im laufenden Haushaltsjahr 2021 geltend zu machen. Eine Rechtsschutzgewährung durch den dbb ist angesichts der Anzahl der Fälle bedauerlicher Weise nicht möglich.

Antrag/Widerspruch 2021 in Word

Antrag/Widerspruch 2021 in PDF

Achtung: Es ist wichtig zeitgerecht bis zum 31.12.2021 den Widerspruch einzulegen und sich beweissicher den Empfang quittieren zu lassen.

 

Ist es sinnvoll auch bei einer höheren Besoldungsgruppe als A12 Widerspruch gegen die Höhe der Besoldung einzulegen?

Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, in jeder Besoldungsgruppe Widerspruch einzureichen. Schließlich wurde auch die Richter-Besoldung vorgelegt. Diese orientiert sich an A 14 in Thüringen), so dass erkennbar ist, dass das gesamte Besoldungssystem überarbeitet werden muss, sofern wir Erfolg haben sollten.

Unseren Berechnungen zufolge haben die Verschiebungen in den untersten Besoldungsgruppen durchaus Auswirkungen bis in die höchsten Besoldungsgruppen hinein. Das hängt aber sehr davon ab, wie die Richter am BVerfG entscheiden und wie sie eine Berechnung vorgeben.

 

Müssen Anwärterinnen und Anwärter Widerspruch einlegen?

Anwärterinnen und Anwärter müssen aktuell keine Widersprüche einlegen, da Ihre Besoldung anderen Grundsätzen unterliegt und bisher nicht Gegenstand der Betrachtungsweisen gewesen sind. Es wird von uns aber empfohlen, indem Jahr des Endes der Ausbildung und der Übernahme in das neue Beamtenverhältnis Widersprüche einzulegen, da dann die Besoldungstabelle A greift.

 

Wer kann eine Nachzahlung für den Fall einer positiven Entscheidung erwarten?

Aufgrund der Erfahrungen aus der bisherigen Praxis des Thüringer Finanzministeriums (TFM) gehen wir davon aus, dass Widersprüche, die jetzt eingelegt werden unmittelbar bzw. zeitnah abschlägig verbeschieden werden. Das TFM hat sich auf keine generelle Ruhendstellung der Widersprüche eingelassen. Warum dann Widerspruch einlegen? Der Widerspruch würde ein generelles Signal der Beschäftigten setzen, dass sie auch nach der Änderung des Besoldungsgesetzes die aktuelle Besoldung für nicht mit der Rechtsprechung des BVerfG vereinbar halten. Darüber hinaus sichern nur Widerspruch und anschließende Klageerhebung eine Rückwirkende Partizipation an Nachzahlungen zu, sofern es zu einer Rechtsänderung kommt.

Denn wenn das Bundesverfassungsgericht Besoldungsregelungen wegen Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt hat, muss der Thüringer Besoldungsgesetzgeber zwar rückwirkend eine verfassungskonforme Regelung erlassen. Jedoch braucht sich eine verfassungsgemäß gebotene Korrektur grundsätzlich nur auf denjenigen Zeitraum zu erstrecken, der mit dem Haushaltsjahr beginnt, in dem die Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung verfassungsgerichtlich festgestellt worden ist. Im Hinblick auf davor liegende Zeiträume kann sich die Korrektur auf die Beamtinnen und Beamten beschränken, die den ihnen von Verfassung wegen zustehenden Anspruch auf amtsgemessene Alimentation zeitnah, d.h. während des jeweils laufenden Haushaltsjahres, gerichtlich geltend gemacht haben, ohne dass über den Anspruch schon abschließend entschieden wurde. Unschädlich ist eine spätere Rechtshängigkeit, wenn die Klage wegen der für ein erforderliches Vorverfahren benötigten Zeit nicht rechtzeitig erhoben werden konnte.

 

Schlusswort tbb

Uns ist bewusst, dass wir damit in einer schwierige Situation nur einen kleinen Beitrag zur Klärung beitragen, aber uns war es wichtig, Ihnen die Möglichkeit zu geben, zumindest privat ihre Ansprüche zu sichern. Kämpfen Sie mit!

 

Ausführliche Informationen zur Alimentation erhalten Sie hier.

 

 

 

 
 
zurück