12. Februar 2021
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33 Jahre Abstand zwischen den Kontrollen

Zu wenig Personal im Arbeitsschutz

„Nun rächt sich, dass beim Arbeitsschutz jahrelang geschlampt und Personal abgebaut worden sei“, so Frank Schönborn, Vorsitzender des Thüringer Beamtenbundes (tbb). Er kritisiert, dass zu wenig Personal im Arbeitsschutz für Arbeitsschutzkontrollen zur Verfügung steht. „Die Kolleginnen und Kollegen in den Behörden für Arbeitsschutz waren schon vor der Pandemie überlastet. Die Coronakrise wirkt auch hier wie ein Brennglas. Es fehlen an allen Ecken und Enden Menschen, die einen Blick in die Betriebe werfen können, ob die Verordnung auch eingehalten wird.“

Während Ordnungsämter und Polizisten den öffentlichen und privaten Bereich kontrollieren, ist dies in Betrieben nicht der Fall. Es muss aber besonders da hingeschaut werden, wo die Risiken am größten sind. Arbeitgeber haben für jede Betriebsstätte einen Hygieneplan zu erstellen, der von den Arbeitsschutzbehörden geprüft werden kann. „Gerade jetzt brauchen wir gezielte Arbeitsschutzkontrollen, aber mit 45 Arbeitsschutzkontrolleuren in Thüringen kommen wir nicht weit“, so Schönborn. „45 Arbeitsschutzkontrolleure – das waren schon vor der Pandemie zu wenig. Aktuell kommt noch die Überprüfung bei der Durchsetzung der Homeoffice-Pflicht, die bis zum 15. März 2021 gelten soll, hinzu.“ Schönborn weiß aus Erfahrung aus den eigenen Reihen: Rechtliche Vorgaben allein garantieren keinen guten Arbeits- und Gesundheitsschutz. Vielmehr hängt die Wirksamkeit der Vorschriften von deren tatsächlicher Umsetzung ab, hierzu gehören potenzielle Sanktionen. Damit das Thema von der Arbeitgeberseite ernst genommen wird, bedarf es wirksamer Kontrollen in den Dienststellen und Betrieben. Rein statistisch gesehen beträgt jedoch der Abstand zwischen 2 Arbeitsschutzkontrollen in einem Unternehmen 33 Jahre. „Die Arbeitgeber können also davon ausgehen, dass Regelverstöße in zahlreichen Fällen nicht aufgedeckt werden, da die dafür notwendigen Kontrollen aus Personalmangel nicht flächendeckend durchgeführt werden können“, bemängelt der Vorsitzende des Thüringer Beamtenbundes den Zustand.

tbb fordert personelle Aufstockung

Der tbb fordert, die Zahl der Beschäftigten im Arbeits- und Gesundheitsschutz in Thüringen an die Veränderungen im Berufsalltag anzupassen, um die Gesundheit der Berufstätigen wirksam schützen und langfristig erhalten zu können. Fachfremd eingesetztes Personal in Arbeitsschutzbehörden sofort wieder für die Überwachung und für Kontrollen einsetzen. Darüber hinaus müssen die Arbeitsschutzbehörden und die gesetzlichen Unfallversicherungsträger personell und finanziell so ausgestattet werden, dass sie ihren vielseitigen Kontroll-, Informations- und Beratungsaufgaben auch tatsächlich gerecht werden können. Das Bundesarbeitsministerium müsse zudem schnellstens per Gesetz eine deutlich höhere Kontrollquote festlegen.

Aktuell aus der Statistik: alle 33 Jahre eine Arbeitsschutzbegehung im Unternehmen

Den Daten aus dem jährlich veröffentlichten Bericht zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (SUGA) zufolge ist die Erwerbstätigenquote in den Jahren von 2005 bis 2015 um gut vier Prozentpunkte angestiegen, wohingegen im gleichen Zeitraum die Personalressourcen im Arbeitsschutz fast halbiert wurden. So waren 2005 noch 6.935 Aufsichtspersonen mit Arbeitsschutzaufgaben beschäftigt. Für das Jahr 2015 weisen die Statistiken hingegen nur mit nur noch 3.435 Beschäftigte halb so viele Beschäftigte mit diesem Aufgabenbereich aus. Somit betreut derzeit jede Aufsichtsperson mit Arbeitsschutzaufgaben 11.726 Beschäftigte, in Thüringen sogar rechnerisch doppelt so viele mit 20.421 Beschäftigten (Thüringen gesamt im Zuständigkeitsbereich 917.041 Beschäftigte).

Aktuell gibt es in Thüringen 45 Arbeitsschutzkontrolleure, die für 63.699 Betriebsstätten mit Arbeitnehmern zuständig. Im Jahr 2019 wurden in Thüringen 8.538 Überprüfungen durchgeführt davon 1.930 Überprüfungen in Arbeitsstätten.

Rein rechnerisch wäre daher ein Unternehmen in Thüringen alle 18,5 Jahre mit einer Arbeitsschutzbesichtigung dran, rein statistisch sind es dann jedoch 33 Jahre durchschnittlicher Abstand in einem Unternehmen zwischen 2 Arbeitsschutzkontrollen. Ca. 96,2 % aller Beanstandungen waren bei Arbeitsschutzkontrollen zu Fragen des technischen Arbeitsschutzes, der Unfallverhütung und des Gesundheitsschutzes zu verzeichnen.

Bedenkt man weiterhin, dass statistisch auf jede Überprüfung der Arbeitsstätte 3,5 Beanstandungen erfolgten, verwundert die konstant hohe Zahl von Arbeitsunfällen (2019: 8.305, 31 davon schwer, 3 tödlich) und die steigende Zahl von Berufskrankheiten (Höhepunkt 2018 mit 445 als berufsbedingt eingeschätzte Erkrankungsfälle) in Thüringen in den letzten Jahren leider nicht mehr.

Pressemeldung "Zu wenig Personal im Arbeitsschutz" als PDF

Verbraucherschutz Jahresbericht Thüringer Arbeitsschutzbehörden 2019

2020 Kleine Frage | Deutscher Bundestag - Entwicklung Arbeitsschutzkontrollen

Artikel TA "Thüringer Allgemeine" vom 16.02.21 - Der Staat muss handeln

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