Bundesjugendtag wählt Matthäus Fandrejewski zum neuen Vorsitzenden
dbb jugend: Öffentlicher Dienst braucht dringend ein Update
Der 19. Bundesjugendtag der dbb Jugend Bund tagte am 6./7. Mai 2022 in Berlin. Nach fünf Jahren kamen fast 250 Delegierte in Berlin zusammen unter dem Motto: „Bereit für ein Update: Mehr Mut. Mehr Engagement. Mehr Jugend.“ Die Delegierten wählten neben der neuen Bundesjugendleitung auch die politische Richtung der dbb jugend für die nächsten Jahre. Für Thüringen nahm die Landesjugendvorsitzende der dbb jugend thüringen Frau Saskia Grimm teil.
Deutschlands öffentlicher Dienst muss grundlegend modernisiert werden, sonst wird sich der Nachwuchs vom Staat abwenden, warnt die dbb jugend.
„Sowohl in gesellschaftspolitischer Hinsicht als auch als Arbeit- und Dienstgebender braucht der öffentliche Dienst dringend ein Update, wenn der Staat das Vertrauen insbesondere der jungen Menschen nicht verspielen will“, sagte Matthäus Fandrejewski unmittelbar nach seiner Wahl zum neuen Vorsitzenden der dbb jugend durch den Bundesjugendtag am 6. Mai 2022 in Berlin. Insbesondere die Corona-Pandemie habe erschreckende Defizite bei der Reaktionsgeschwindigkeit und Krisenfestigkeit des Staats aufgezeigt, erläuterte Fandrejewski: „Das lag nicht an den Beschäftigten, die mit hoher Motivation und großem Engagement ihre Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Wir haben vielmehr die Strukturmängel vor Augen geführt bekommen, die jahrzehntelange Sparpolitik auf der einen und massiver Aufgaben- und Bürokratieaufwuchs auf der anderen Seite produzieren. Die Kolleginnen und Kollegen leiden ebenso wie die Bürgerinnen und Bürger unter dieser Schwerfälligkeit und geringen Agilität des Staats. Der macht insbesondere bei den Jüngeren nicht nur als Dienst- und Arbeitgebender einen schlechten Eindruck, sondern auch bei allen jungen Menschen, für die digital selbstverständlich ist, die beim Staat aber auf Neandertal treffen.“
dbb Chef Ulrich Silberbach unterstrich die Warnung des dbb jugend Vorsitzenden: „In den kommenden Jahren gehen hunderttausende Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand. In Anbetracht der schon heute bestehenden Personallücke von mehr als 300.000 Beschäftigten muss der Staat schleunigst aus seinem Dornröschenschlaf erwachen und sich im Wettbewerb um die besten Köpfe als attraktiver Arbeitgeber positionieren. Das schafft man nur mit modernen Arbeitsbedingungen, zeitgemäßer technischer Ausstattung und echten Perspektiven. Wer immer noch Spitzenplätze bei befristeten Arbeitsverhältnissen belegt und Laufställe als Laufbahnen verkaufen will, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt“, so Silberbach. Der dbb Bundesvorsitzende gratulierte dem neuen dbb jugend Chef Matthäus Fandrejewski zur Wahl. Der 32-Jährige ist ebenso wie Silberbach Mitglied der komba gewerkschaft und seit 2013 Vorsitzender der CESI Youth, Jugendorganisation des europäischen dbb Dachverbands CESI (Confédération Européenne des Syndicats Indépendants). Er folgt auf Karoline Herrmann, die seit 2017 an der Spitze der dbb jugend stand.
An die Seite des neuen dbb jugend Vorsitzenden Matthäus Fandrejewski, der qua Amt auch Mitglied der dbb Bundesleitung ist, wählte der Bundesjugendtag Sandra Heisig von der DSTG-Jugend (Deutsche Steuer-Gewerkschaft) als 1. Stellvertretende Vorsitzende sowie Daria Abramov (komba jugend - komba gewerkschaft), Claudio Albrecht (GDL-Jugend - Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) und Toni Nickel (Junge Polizei - Deutsche Polizeigewerkschaft) als weitere stellvertretende Vorsitzende der Bundesjugendleitung.
Sie übernehmen die Mandate der bisherigen Bundesjugendleitungsmitglieder Liv Grolik, Philipp Mierzwa, Marcel Oehm und Florian Schütz, die gemeinsam mit Ex-dbb jugend Chefin Karoline Herrmann mit großem Dank und viel Applaus verabschiedet wurden.
Klare Absage: Schluss mit Sparen im öffentlichen Dienst
Mit den Antragsberatungen hat die dbb jugend ihren Bundesjugendtag am 7. Mai 2022 in Berlin fortgesetzt – die rund 200 Delegierten aus ganz Deutschland hatten über weit mehr als 100 Anträge zu beraten und zu beschließen.
Insbesondere die drei verabschiedeten Leitanträge zeigen die Linien auf, die die dbb jugend in den kommenden fünf Jahren verfolgen wird. In der digitalen Transformation der Verwaltung sieht die dbb jugend die Zukunftsaufgabe des öffentlichen Dienstes schlechthin. „Es ist wird Zeit für einen Sprung nach vorne. Es wird Zeit, mutig zu sein und den öffentlichen Dienst in die Zukunft zu befördern“, heißt es im Leitantrag Nr. 1 unter der Überschrift „Zeit für ein Update. Mehr Mut zu Veränderungen!“ „Das digitale Leben und Arbeiten ist für die Jugend nahezu selbstverständlich, doch spiegelt sich diese Realität nur unzureichend im öffentlichen Dienst wider. Viel zu oft entspricht der technische Standard an den Arbeitsplätzen nicht dem Stand der Zeit“, lautet das ernüchternde Urteil des Berufsnachwuchses. Gefordert seien „schnelles Breitband-Internet und miteinander vernetzte, intuitive und intelligente Ausstattung für die Beschäftigten und Auszubildenden“, begleitet von „lebensbegleitendem Lernen und an die neuen Begebenheiten angepassten Ausbildungen“ mit Fächern wie E-Government und IT. Zudem müssten neue Schwerpunkte auf die zu vermittelnden Kompetenzen gelegt werden: Soft Skills wie Selbst- und Sozialkompetenz, kooperatives und vernetztes Arbeiten sowie der Erwerb von Sprachen müssen laut dbb jugend einen festen Platz in der Ausbildung von morgen bekommen. Auch die Risiken der Digitalisierung gelte es bei allen Chancen zu berücksichtigen, mahnt die dbb jugend, es brauche „Schutzmaßnahmen vor Überlastung und Selbstausbeutung. Die Arbeitgeber*innen der Zukunft achten ganzheitlich auf das Wohl der eigenen Mitarbeiter*innen und Auszubildenden.“
Eine klare Absage erteilt die dbb jugend weiteren Sparrunden im öffentlichen Dienst: „Die Politik muss mehr in den Staat und seine Beschäftigten investieren“, fordern die jungen Beschäftigten und lehnen einen weiteren Stellenabbau konsequent ab. Gebraucht werde ein starker und gut bezahlter Personalkörper, um die Herausforderungen
der Zukunft bewältigen zu können. „Dies beinhaltet eine vorausschauende und moderne Personalplanung, um trotz des demografischen Wandels und der häufig regen Personalfluktuation Engpässe zu verhindern und Überlastungen zu vermeiden. Sie muss sich an dem tatsächlichen Bedarf der Verwaltung orientieren, der sich durch die objektiv vorhandenen Aufgaben und der Personalbestandsentwicklung der nächsten Jahre definiert und nicht haushaltspolitischen Vorgaben unterliegen darf.“
Befristete Arbeitsverhältnisse beim Staat lehnt die dbb jugend ebenfalls ab und macht deutlich, dass ein starker Staat seine Beschäftigten fair bezahle und sie mit den
gleichen Maßstäben behandele. „Im Beamtenbereich setzt sich die dbb jugend daher für ein einheitliches Beamtenrechtsrahmengesetz und eine bundeseinheitliche Besoldung
ein, damit Abwerbungen zwischen den Bundesländern, beispielsweise bei den Lehrkräften, vorgebeugt wird und damit gleiche Tätigkeit auch gleicher Sold bedeutet.“
Ein klares Statement gibt es von der dbb jugend auch in Sachen Extremismus, Demokratie- und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit: „Der Staat muss jeder extremistischen Strömung nachgehen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland infrage stellt, auch unter seinen eigenen Beschäftigten.“ Ausdrücklich fordert die gewerkschaftliche Jugendorganisation, dass der öffentliche Dienst die vielfältiger werdende Gesellschaft abbilden und entsprechend diverser werden muss.
Die dbb jugend will sich verstärkt für die Ermöglichung und Förderung von mehr ehrenamtlichem Engagement und Mitbestimmung einsetzen und fordert eine stärkere Einbindung der jungen Menschen in politische Entscheidungsprozesse: „Junge Menschen sollen in ihrem späteren Leben nicht die Konsequenzen von Entscheidungen tragen müssen, an denen sie nicht aktiv teilhaben konnten“, stellt die dbb jugend klar. Auch im Berufsalltag müssten die Perspektiven und Kompetenzen der jungen Beschäftigten in Sachen Ehrenamt stärker einbezogen werden: „Nur wer offen für Neues und damit für die Bedürfnisse der Jugend ist, wird das Rennen um die besten Köpfe gewinnen.“
„Die Zwanzigerjahre dieses neuen Jahrtausends haben es in sich: Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Klimakrise, schwächelnde soziale Sicherungssysteme, Digitalisierungsstau. Die Zukunft der junge Generation hängt von der Bewältigung dieser Herausforderungen ab. Deshalb fordern wir die Politik dazu auf, notwendige Veränderungen mutig anzugehen – für eine starke Jugend, die eine lebenswerte Zukunft in unserm Land vor sich hat und für eine nachhaltige demokratische Staatsorganisation, die ihre Stärke aus ihren motivierten Beschäftigten zieht“, machte dbb jugend Chef Matthäus Fandrejewski deutlich.