Bundesrecht
Bundesdisziplinargesetz geändert
Der Bundestag beschloss am Freitag, den 17. November 2023, eine Gesetzesnovelle, mit der Disziplinarverfahren gegen Bundesbeamte künftig einfacher und schneller möglich werden. Damit soll die Entfernung von Verfassungsfeinden aus dem Dienst erleichtert werden.
Für die Neuerungen stimmten die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP, dagegen votierten CDU/CSU und AfD, die Linke enthielt sich.
Unmittelbarer Verlust der Beamtenrechte bei Freiheitsstrafen
Bei schweren Dienstvergehen führen strafrechtliche Verurteilungen zu Freiheitsstrafen – im Regelfall ab einem Jahr, in besonderen Fällen ab sechs Monaten – nach § 41 BBG und § 24 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) unmittelbar zum Verlust der Beamtenrechte, ohne dass es eines Disziplinarverfahrens bedarf.
Diese beamtenrechtlichen Beendigungsgründe wurden durch die Aufnahme des Straftatbestands der Volksverhetzung in das Beamtenversorgungsgesetz erweitert werden, so dass eine rechtskräftige Verurteilung wegen Volksverhetzung nicht erst wie bisher bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr beziehungsweise bei Versorgungsbeziehenden von zwei Jahren, sondern bereits bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zum Verlust der Beamtenrechte beziehungsweise der Versorgungsbezüge führt.
Ziel: Vertrauen in die Integrität der Verwaltung stärken
Durch eine rasche und effektive Ahndung von Dienstvergehen soll das Ansehen des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in die Integrität der Verwaltung gestärkt werden, hieß es im Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drs. 20/6435).
Wie die Bundesregierung darlegt, können bis zum rechtskräftigen Abschluss eines auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerichteten Disziplinarverfahrens in der Praxis derzeit mehrere Jahre vergehen. Im geltenden Disziplinarklagesystem dauerten Verfahren im Durchschnitt knapp vier Jahre. Dies sei vor allem bei Personen, die die Bundesrepublik und ihre freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen, nicht hinzunehmen, auch weil die Betroffenen während des gesamten Disziplinarverfahrens weiterhin einen beträchtlichen Teil ihrer Bezüge erhalten.
Weitgehende Disziplinarbefugnisse der Disziplinarbehörden
Durch die Änderung des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) wird das Verfahren der Disziplinarklage durch umfassende Disziplinarbefugnisse der Disziplinarbehörden abgelöst. Statt Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erheben zu müssen, sollen die Disziplinarbehörden künftig sämtliche Disziplinarmaßnahmen, einschließlich der Zurückstufung, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der Aberkennung des Ruhegehalts, durch Disziplinarverfügung aussprechen (Artikel 1 § 33 des Gesetzentwurfs).
Durch die Vorverlagerung des Ausspruchs auch dieser statusrelevanten Disziplinarmaßnahmen auf die behördliche Ebene sei ein schnellerer Abschluss des Verfahrens möglich, so die Ausführungen im Gesetzentwurf.
Rechtsschutz durch Verwaltungsgerichte
Durch Verwaltungsakt aus dem Dienst entfernte Beamtinnen und Beamten müssen künftig selbst aktiv gegen die Disziplinarverfügung vorgehen. Statthaft sind Widerspruch (§ 126 Abs. 2 BBG, §§ 41 ff. BDG) und Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO); der Widerspruch entfällt nach § 41 Abs. 1 Satz 2 BDG allerdings grundsätzlich bei einer Entfernung aus dem Dienst, weil diese von der obersten Dienstbehörde angeordnet wird (§ 34 Abs. 4 BDG-E), soweit deren Befugnis nicht nach § 34 Abs. 5 BDG delegiert wurde.
„Finanzielle Fehlanreize korrigieren“
Zudem zielt das Gesetz darauf ab, „finanzielle Fehlanreize des geltenden Disziplinarklagesystems“ zu korrigieren. Bisher verbleiben Beamten die bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entfernungsentscheidung gezahlten Bezüge, wie die Bundesregierung ausführt. Für Beamte könne es daher von Interesse sein, den Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens hinauszuzögern, um möglichst lange weiterhin Bezüge zu erhalten.
Um diesen Fehlanreizen auch im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung zu begegnen, sollen Beamte, die wegen eines Verstoßes gegen ihre Verfassungstreuepflicht aus dem Beamtenverhältnis entfernt wurden, laut Vorlage, die bis zur Bestandskraft fortgezahlten Bezüge zurückerstatten müssen.
Grenzen der Reform: Richterdienstverhältnisse
Die Dienstentfernung durch Verwaltungsakt ist nicht auf Richterdienstverhältnisse anwendbar. Die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richterinnen und Richter können nämlich nach Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben werden.
Vorbild Landesdisziplinargesetz Baden-Württemberg
Vorbild für den Gesetzentwurf war das Landesdisziplinargesetz von Baden-Württemberg. In Baden-Württemberg können seit 2008 alle Disziplinarmaßnahmen per Disziplinarverfügung ausgesprochen werden – also auch eine Zurückstufung, Entlassung oder Aberkennung des Ruhegehalts. Er muss hierfür nicht Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte 2020 (14.1.2020, 2 BvR 2055/16) diese Praxis in dem es feststellte, „ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur durch Richterspruch erfolgen darf besteht nicht.“
Kritik des dbb
Der dbb hatte in seiner Stellungnahme, im Beteiligungsverfahren und in der Anhörung im Innenausschuss das Gesetz abgelehnt, weil die Beschleunigung der Disziplinarverfahren nicht zu erwarten ist. Ferner forderte der dbb, dass eine einheitliche Instanz, wie früher der Bundesdisziplinaranwalt, wiedereingeführt wird. Dies würde zu einer echten Beschleunigung der Verfahren führen.
Kritik der CDU/CSU
Die Unionsfraktion schrieb in ihrem abgelehnten Antrag (20/6703), der Gesetzentwurf der Bundesregierung werde von den Beamtengewerkschaften als nicht geeignet kritisiert und als Ausdruck des Misstrauens wahrgenommen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung führe zu einer „Änderung dahingehend, dass mit einer Abschaffung der Disziplinarklage Bundesbeamtinnen und -beamte zunächst der Entscheidung der Dienstbehörde ausgesetzt wären und sich nur durch eine Klage gegen ihre Behörde im Dienstverhältnis halten können“.
Das richtige Ziel, Extremisten möglichst schnell und rechtssicher aus dem Staatsdienst zu entfernen, heilige jedoch nicht jedes Mittel, so die Fraktion. Nach dem Regierungsmodell läge im Bund die Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht bei einer spezialisierten Dienststelle. Darüber hinaus fehlten dem Gesetzentwurf staatliche Mechanismen für Rehabilitationsmaßnahmen im Falle einer falschen Beschuldigung.
Keine automatischen Folgen für das Thüringer Disziplinarrecht
Die Reform tastet das Landesdisziplinarrecht nicht an. Das ist insoweit von erheblicher Bedeutung, weil der Großteil der deutschen Beamtinnen und Beamten im Dienst der Länder steht. Der Regelungszugriff des Bundes auf das Landespersonal ist durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG auf die Normierung von Statusrechten und -pflichten beschränkt. Die grundlegenden Voraussetzungen einer Entfernung aus dem Dienst fallen zwar hierunter,) nicht aber die konkreten Gestaltungen des Disziplinarverfahrens.
Der tbb geht jedoch davon aus, dass der Thüringer Gesetzgeber die Änderungen im Bundesdisziplinarrecht sich sehr genau ansehen wird.
Quelle: Gesetzentwurf der Bundesregierung, Drs. 20/6435
Berichterstattung im Deutschen Bundestag