04. Oktober 2022

Einkommensrunde Bund und Kommunen

dbb Chef: „Wir müssten eigentlich 20 Prozent mehr fordern“

dbb Chef Ulrich Silberbach geht von einer hohen Forderung für die nächste Einkommensrunde aus und erwartet von der Bundesregierung mehr Einsatz für den öffentlichen Dienst.

„Wir werden hohe Forderungen stellen müssen“, sagte Silberbach der „Berliner Zeitung“ (Ausgabe vom 4. Oktober 2022) mit Blick auf die anstehende Einkommensrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Die Tarifverhandlungen starten im Januar 2023, am 11. Oktober 2022 werden dbb und ver.di ihre gemeinsame Forderung bekanntgeben. „Die Kolleginnen und Kollegen erwarten von uns, dass sie keinen Reallohnverlust erleiden“, machte der dbb Bundesvorsitzende deutlich. „Und wenn man sich vor Augen hält, wo im Moment die Inflation steht, und dass man sich in Tarifverhandlungen am Ende meist immer irgendwo in der Mitte trifft, müssten wir eigentlich Forderungen von 16 bis 20 Prozent stellen.“ Gleichwohl sei man realistisch – „wir wissen, das können wir nicht bringen. Trotzdem glaube ich, es wird eine hohe Forderung sein. Wir haben ab dem ersten Januar ein Bürgergeld statt Hartz IV, das beinhaltet eine elfprozentige Steigerung. Wir haben in anderen Wirtschaftsbereichen Forderungen von acht Prozent, also ist das für mich die Bandbreite, in der wir diskutieren: zwischen acht und elf Prozent.“ Zudem werde man sich in Anbetracht des aktuellen Veränderungspotenzials der wirtschaftlichen Situation Nachforderungen vorbehalten.

Silberbach betonte, wie entscheidend die Ergebnisse der Einkommensrunde für die Motivation der Beschäftigten und die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sind. Bürgerinnen und Bürger merkten, wie „kaputtgespart“ alles sei, und dem Staat falle es zunehmend schwer, Nachwuchs zu gewinnen. Freilich biete der öffentliche Dienst attraktive Beschäftigungsmerkmale: „Work-Life-Balance, sicherer Arbeitsplatz und sinnstiftende Tätigkeit. Der Punkt ist nur: Halten Sie damit heute noch junge Leute über 30 oder 40 Jahre im öffentlichen Dienst? Die Erkenntnisse, die wir haben, sind erschreckend. Die Leute machen gerne eine Ausbildung im öffentlichen Dienst, weil sie breit und vielfältig ist. Aber nach drei, vier Jahren gehen sie doch in die Privatwirtschaft, denn dort wird das Geld verdient. Wir haben die hohen Ausbildungskosten, und dann verlassen uns die Leute.“ Hier könne man in der Einkommensrunde mit klaren Signalen einen Kontrapunkt setzen, erklärte der dbb Chef.

Deutlich mehr Einsatz für den öffentlichen Dienst erwartet Silberbach von der Bundesregierung. Milliarden-Investitionen in die staatliche Infrastruktur und Digitalisierung, Personalgewinnung sowie Bürokratie- und Aufgabenabbau seien dringend erforderlich, doch noch immer sei unklar, welche Schwerpunkte die Ampel-Koalition hier überhaupt setzen wolle, kritisierte Silberbach und adressierte die Bundesinnenministerin: „Sie kümmert sich um viele Themen. Der öffentliche Dienst und seine Beschäftigten geraten da etwas in Vergessenheit. Das ist jetzt im Vorfeld der Einkommensrunde für uns natürlich eine riesige Herausforderung. Wir wissen nicht, welche Schwerpunkte sie bei Themen wie Digitalisierung und Fachkräftegewinnung setzen will. Da müssen wir dringend Fortschritte erreichen. Die Frage ist, will sie wirklich einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst? Und ist sie bereit, mit Christian Lindner über die daraus resultierenden Finanzierungsanforderungen zu reden und zu streiten? Ich glaube, dass es fatal wäre, wenn wir den öffentlichen Dienst jetzt weiter ausbluten lassen.“

Auch an anderer Stelle kommt Silberbach der öffentliche Dienst zu kurz. Sowohl bei der Konzertierten Aktion als auch beim Fachkräfte-Gipfel des Arbeitsministeriums „spielt der öffentliche Dienst überhaupt keine Rolle. Da fragen wir uns schon, ob das richtig so ist. Die Wirtschaft hat im Moment natürlich eine Menge Probleme, die wollen wir stützen. Aber sorry, der öffentliche Dienst ist auch systemrelevant. Da sitzen drei Ministerien, Arbeit, Bildung und Forschung und Wirtschaft – und der öffentliche Dienst findet nicht statt. Dabei haben wir die gleichen Probleme – wenn nicht sogar größere, die Altersstruktur ist noch problematischer und bei den Gehältern können wir oft mit der Privatwirtschaft nicht mithalten“, warnte der dbb Chef.

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