dbb Jahrestagung 2024
Fachpodium: Demokratie beginnt in der Schule
Simone Fleischmann, stellvertretende dbb Bundesvorsitzende, hat sich bei der dbb Jahrestagung für eine verbesserte demokratische Bildung in den Schulen stark gemacht.
"Wir leben Demokratie in der Schule“, so Fleischmann, die auch Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) ist. Schule lege eine demokratische Haltung in den jungen Menschen an und trage das demokratische Zusammenleben jeden Tag, sagte die dbb Vize und betonte gleichzeitig, dass eine starke Demokratie-Bildung an den Schulen auch ein Schlüsselfaktor der Integration ist. Das Aushalten von Spannungen und anderen Meinungen sei dafür Grundlage.
Fleischmann formulierte fünf Forderungen an die Politik und die Bildungsverwaltungen: die Achtung des Bildungsziels Demokratie, die Stärkung der politischen Bildung und der Ausprägung einer politischen Medienkompetenz und einen demokratischen Unterricht. In der Lehrerbildung müsse Demokratie-Bildung in den Mittelpunkt gestellt werden. Schlussendlich sieht Simone Fleischmann demokratische Bildung als eine gemeinsame Aufgabe von Eltern und Schule.
In der anschließenden Diskussion zeigte sich Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes (DPhV) und Vorsitzender der dbb Fachkommission Bildung und Wissenschaft, überzeugt, dass die Schulen mit der Demokratie-Bildung nicht überfordert, sondern von ihr herausgefordert sind. „Schule ist eine Chance, Gesellschaft aktiv zu beeinflussen.“ Jugendliche und Kinder lernten dort, zu argumentieren und sich mit demokratischen Mitteln Gehör zu verschaffen, statt zuzuschlagen. „Wir dürfen uns aber nicht einer naiven Idee von Demokratieerziehung hingeben, die immer gelingt.“
Lin-Klitzing bemängelte, dass das Grundgesetz derzeit keinen festen Platz in der Lehrerausbildung habe, obwohl dort viele Grundlagen von Schule enthalten seien. Sie forderte: „Die Auseinandersetzung mit dem Grundgesetz gehört für jede Lehramtsstudentin und jeden Lehramtsstudenten dazu!“ Verpflichtende bundesweite Mindeststandards alleine würden es allerdings nicht richten.
Der Bildungsstaatssekretär des Landes Sachsen-Anhalt Jürgen Böhm pflichtete Lin-Klitzing darin bei, die demokratische Grundbildung von Lehrkräften zu verstärken. „Dazu braucht es aber keine neuen Fächer, sondern eine konsequente fächerübergreifende Vermittlung von Demokratie-Bildung.“ Weiter müssten bereits in der frühkindlichen Erziehung erste Impulse gesetzt werden. „Demokratie-Bildung gehört daher auch in die Kindergärten“, sagte Böhm. „Wir dürfen Schule nicht immer schlechtreden. Natürlich hat die Gesellschaft Probleme zu lösen. Aber wir leben in einer sehr klar demokratischen Gesellschaft, für die es sich einzustehen lohnt. Ich bin zum Beispiel ein Fan von Schülermitverwaltung, die junge Menschen zum Engagement motiviert und ihnen Teilhabe an Entscheidungsprozessen ermöglicht.“
Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betonte die Notwendigkeit sicherzustellen, dass Schule Basiskompetenzen wie Lesen und Schreiben vermittelt. Denn darauf baue alles Weitere auf. Deshalb setze sich seine Partei für verbindliche Tests ein. Für den Umgang mit Sozialen Medien forderte er ein konsequentes Vorgehen gegen Falschinformationen. „Wir brauchen eine Positivkennzeichnung. Alle müssen erkennen, wer Inhalte erstellt hat und ob man diesen vertrauen kann“, sagte der Politiker. Dazu gehöre auch, dass bestimmte Inhalte gelöscht werden – angesichts der Masse an Falschinformationen, hinter denen unter anderem Terrororganisationen und Staaten wie Russland stecken, die versuchen, die Demokratie auszuhebeln.
Jochen Ott, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen, beklagte, dass die politische Bildung in den Schulen zu kurz kommt. Dies hätte auch eine Untersuchung der Universität Bielefeld ergeben. „Der Politikunterricht wird oft als Laber-Fach abgetan“, sagte Ott. Es könne nicht sein, dass der Besuch des Bundestages abgesagt wird, weil eine Klassenarbeit ansteht oder dass der Besuch des Konzentrationslagers wegen Vokabeltests abgesagt wird. „Da müssen wir zwingend unsere Prioritätensetzung überdenken“, forderte der Politiker. Entscheidend sei, jungen Menschen zu vermitteln, dass sie ihre Lebensumstände verbessern können und eine bessere Zukunft möglich ist. „Wir müssen zur Selbstbefähigung beitragen.“