Modellprojekt „Führen in Teilzeit“
Führungswandel strukturell anstoßen
Wie müssen Führungspositionen ausgestaltet sein, damit sie auch in Teilzeit erfolgreich ausgeführt werden können? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Fachaustausches der dbb frauen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zum geplanten behördenübergreifenden Modellprojekt „Führen in Teilzeit“ am 8. Dezember 2020. Die dbb frauen begrüßen die Initiative und sehen darin eine seit Langem geforderte Maßnahme auf den Weg gebracht.
Ziel des für das kommende Jahr geplante BMFSFJ-Modellprojekts ist es, „Führen in Teilzeit“ als wichtige Säule für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den obersten Bundesbehörden zu etablieren und Frauen und Männern in Familienphasen den Anschluss an Führungspositionen zu ermöglichen. Eine erste Bestandsaufnahme zu Führen in Teilzeit in den obersten Bundesbehörden aus dem Jahr 2018, nachzulesen im kürzlich erschienenen Evaluationsgutachten zum Führungspositionen-Gesetz, kam zu dem Ergebnis, dass Führen in Teilzeit in den obersten Bundesbehörden noch die Ausnahme sei.
Aus Sicht der dbb frauen ist die Etablierung flexibler Führungsmodelle ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen. „Frauen haben gegenüber Männern einen echten Wettbewerbsnachteil, wenn sie sich in sensiblen Phasen der familiären Verantwortung nicht auf eine Vollzeit-Führungsposition bewerben können oder wollen. Diesen Frauen wird durch das „Führen in Teilzeit“-Konzept die Möglichkeit gegeben, wichtige Karrierephasen und Phasen der erhöhten Familienverantwortung unter einen Hut zu bekommen", hob Michaela Neersen, Mitglied der Geschäftsführung der dbb bundesfrauenvertretung, im Gespräch mit Vertreterinnen des BMFSFJ heraus.
Sie machte nochmals deutlich, dass sich insbesondere bei der dienstlichen Beurteilung zeige, wie stark sich das Anwesenheitsdiktat der noch immer vorherrschenden Präsenzkultur in den Bundesbehörden und ihren nachgeordneten Bereichen auf das Fortkommen der Beschäftigten auswirke. Insbesondere Teilzeitkräfte – und damit überwiegend Frauen – würden signifikant schlechter in ihrer Leistung bewertet als Vollzeitkräfte. „Mit jeder Stunde, die Frauen ihre Wochenarbeitszeit reduzieren, sinken ihre Aussichten auf eine Spitzenposition drastisch. Jede Bemühung, dieser indirekten Diskriminierung von Frauen entgegen zu wirken, muss gefördert werden“, so Neersen.
Im Vermittlungsprozess sei es ferner wichtig, die Vorzüge des Führungsmodells vor allem auch den Dienstherren und öffentlichen Arbeitgebenden nahezubringen, betonte Neersen, „als Mittel zum Zweck, etwa um die Attraktivität der Bundesverwaltung zu steigern und so dem Fach- und Führungskräftemangel zu begegnen.“
Darüber hinaus müsse auch die gesellschaftliche Akzeptanz der partnerschaftlichen Aufteilung von privater Sorgearbeit gestärkt werden, damit Führen in Teilzeit eine gleichstellende Wirkung entfalten kann. „Hier sind wir uns mit dem BMFSFJ einig“, betonte Neersen, „Frauen wie Männern, die sich in zeitintensiven Lebensphasen der Kindererziehung oder der Pflege eines Angehörigen befinden, muss Führungsverantwortung im Erwerbsleben zugetraut und ermöglicht werden.“