16. Juli 2020

PM: tbb | Inside

Interview tbb Landesvorsitzender

Digitalisierung ist eine der Herausforderungen für die kommenden Jahre. Auf dem VII. Gewerkschaftstag des tbb beamtenbund und tarifunion thüringen e.V., wurde Frank Schönborn mit 95% der abgegebenen Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Mit seiner Wahl folgt er dem seit 15 Jahren im Amt befindlichen Helmut Liebermann, welcher mit 71 Jahren nicht mehr zur Wahl antrat. Liebermann gestaltete und lenkte die Geschicke des tbb die Hälfte der Zeit des seit 29 Jahren in Thüringen bestehenden Beamtenbundes, welcher mit seinen 34 Fachgewerkschaften gut ein Viertel der im Freistaat tätigen Beamten und Tarifbeschäftigten vertritt.

 

Frage: Herr Schönborn, Sie folgen einem Vorsitzenden im Amt, welcher in seiner Amtszeit so manche Akzente setzte, und die Arbeit des tbb in Thüringen prägte. Ist das für Sie nicht auch eine große Bürde, welche Sie mit Ihrem Amtsantritt übernehmen?

Frank Schönborn (F.S.): Selbstverständlich gilt es den Respekt vor den Leistungen derer zu wahren, welche durch ihre Arbeit nicht unwesentlich zur guten Entwicklung des tbb in Thüringen beigetragen haben. Dafür möchte ich Helmut Liebermann auch ausdrücklich danken. Ein Stück habe ich ihn in den vergangen 5 Jahren als einer seiner Stellvertreter begleitet und auch unterstützt. Somit werde ich mit der neuen Aufgabe nicht in das kalte Wasser geworfen, sondern kann an meiner Arbeit der vergangenen Jahre im tbb anknüpfen. Sicher sahen dies auch viele der Kolleginnen und Kollegen so, welche mir durch ihre Stimmabgabe das Vertrauen aussprachen, wofür ich allen meinen Dank aussprechen möchte.

Frage: Am Montag hatten Sie die erste Sitzung der Landesleitung des tbb, können Sie uns schon verraten, worum es dabei ging?

F.S.: Ein großes Geheimnis ist dies gewiss nicht, denn es war die notwendige konstituierende Sitzung, welche nicht zuletzt auch Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit der neu gewählten Landesleitung ist. Schließlich sind in den 34 Fachgewerkschaften des tbb über 25 % der Beschäftigten im Freistaat vertreten. Da können wir es uns einfach nicht erlauben, eine Handlungspause einzulegen. Die Kolleginnen und Kollegen erwarten von uns, dass wir uns umgehend für Ihre Interessen einsetzen und mit Blick auf die kurz bevorstehende parlamentarische Sommerpause haben wir jetzt einen straffen Zeitplan vereinbart.

Frage: Sie waren in den vergangenen 5 Jahren bereits einer der Stellvertreter des Landesvorsitzenden. Da Helmut Liebermann nicht wieder antrat, muss es in der Landesleitung auch personelle Veränderungen gegeben haben. Wird sich dies auf die zukünftige Arbeit auswirken?

F.S.: Ich hätte mir mehr Weiblichkeit in der zukünftigen Landesleitung gewünscht. So freue ich mich, dass wir mit Nicole Siebert eine in der Gewerkschaftsarbeit erfahrene Kollegin für die Mitarbeit in der Landesleitung des tbb gewinnen konnten. Sie kommt aus dem Bereich der Steuerverwaltung. Daneben konnten sich mit Uwe Allgäuer ein ebenso streiterprobter Kollege aus dem Bereich Strafvollzug, dazu wie Nicole Siebert mit jahrelanger Erfahrung im (Haupt-)Personalrat und Uwe Sommermann aus dem Bereich der Thüringer Schulen mit Erfahrung in dem so wichtigen Thema IT und Digitalisierung durchsetzen, die neue Akzente in der Arbeit der Landesleitung setzen werden. Mit Andreas Schiene aus dem Bereich Umwelt und Forst habe ich bereits in der vergangenen Wahlperiode gut und intensiv zusammengearbeitet. Er wird auch in der neuen Zusammensetzung wieder den wichtigen Bereich Dienstrecht übernehmen. Ebenso kann unser alter und neuer Schatzmeister, Uwe Köhler auf langjährige Erfahrungen bei der Arbeit in der (stellv.) Schul- und Landesleitung zurückblicken. Besonders froh bin ich darüber, dass wir zu unserem Gewerkschaftstag für unsere Jugendvertretung einen dauerhaften Sitz in der Landesleitung per Satzungsänderung ermöglicht haben. So wird uns unser amtierender Landesjugendleiter, ein trotz junger Jahre schon in der Gewerkschafts- und Kommunalpolitik sehr versierter Kollege Christian Bürger unterstützen.

Ich denke, dass wir mit dieser neuen Landesleitung die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vertretung der bei uns organisierten Kolleginnen und Kollegen haben.

Frage: Gewerkschaftsarbeit lebt in erster Linie von inhaltlicher Arbeit. Was werden Ihre ersten Schritte sein?

F.S.: Aktuell steht die Tarifrunde TVöD Bund und Kommunen an. Andererseits steht die Zeit ja nicht still, und Veränderungen beim Dienstherren wirken sich auch auf die Arbeitsabläufe im Dienstalltag aus. Ein wichtiger Schwerpunkt ist die ausbaufähige Digitalisierung der Arbeitsabläufe im Öffentlichen Dienst. Gemessen an den Möglichkeiten bleibt hier noch sehr viel zu tun. Mehr eigene Ausbildung im öffentlichen Dienst unter Stärkung der Fachkräftegewinnung im IT-Bereich auch unter aktiver Nutzung der Verbeamtung als Personalgewinnungsinstrument, ein Stopp des Stellenabbaupfads der Landesregierung und allen voran mehr Wertschätzung innerhalb und außerhalb gegenüber der Arbeit im öffentlichen Dienst, das sind die Handlungsfelder.

Frage: Kein Stellenabbau? Der Rechnungshof hat doch gerade wieder die Höhe der Personalkosten gerügt.

F.S.: Das Vorhaben, bis 2025 weiteres Personal im öffentlichen Dienst des Freistaats abzubauen, muss aufgegeben werden. Immer noch wird der Fachkräftemangel nur als vorrangiges Problem hochspezialisierter Unternehmen begriffen, die Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Ingenieuren und Fachkräften haben. Dabei greift der Fachkräftemangel auch heute schon spürbar in alle Bereiche des öffentlichen Sektors über. Die Kommunalebene ist ebenso betroffen, wie z.B. die Bereiche der Vermessungs- und Bauingenieure, der Strafvollzug, der Arbeitsschutz u.v.a. Engpässe bei der Nachwuchsgewinnung von Lehrkräften und Polizisten zeigen sich vielerorts besonders deutlich, und der Wettbewerb zwischen den Bundesländern verschärft sich. In diesem Zusammenhang den Ländervergleich vorzunehmen, wo der gesamt öffentliche Dienst sich teilweise bereits im Fachkräftemangel befindet, geht fehl. Dazu kommt, 15% der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Thüringen in den nächsten 7 Jahren aus dem Arbeits- bzw. aktiven Dienstverhältnis austreten werden, in den nächsten 12 Jahren sind es sogar 34%. Wir steuern auf einen öffentlichen Dienst zu, den keiner so haben möchte, wenn wir nicht mehr Kraft und Geld in Personalgewinnung und Erhalt investieren.

Frage: Da liegen vielfältige Aufgaben vor Ihnen, welche ohne intensive Arbeit wohl nicht zu bewältigen sein werden. Lassen Sie uns abschließend noch ein Problem aufgreifen. Der öffentliche Dienst gerät in letzter Zeit immer wieder zwischen die Fronten von Politik und den Bürgern im Lande. Im Ergebnis, so hat man den Eindruck, schwindet die Akzeptanz dieses, was sich nicht zuletzt auch in zunehmender Gewalt gegen die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes zeigt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

F.S.: Die angespannte Situation gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zeigt sich auch in den gewalttätigen Übergriffen in Thüringen. So wurden einem Justizvollzugsbeamten in einer Thüringer Justizvollzugsanstalt bei der Lebendkontrolle Exkremente ins Gesicht geschüttet; einem Polizisten bei einer Fanbegleitung von hinten ein schweres Vierkantholz hinterhergeworfen. Er erlitt dabei ein schweres Schädelhirntrauma sowie Verletzungen. Ein Fallbeispiel aus dem Schulbereich verdeutlicht, wie Gewalt gegen Lehrkräfte im öffentlichen Dienst in Thüringen massiv ausufern und von der Normalität weit entfernt ist. Eine Lehrerin wurde von einem Schüler am Hinterkopf in die Hand genommen. Danach schlug der Schüler das Gesicht der Lehrerin an die Wand und hat sie im Gesicht verletzt. Die Lehrerin erstatte Anzeige bei der Polizei.

Es ist in Deutschland trauriger Alltag geworden, dass Menschen angegriffen werden, die sich in den Dienst dieser Gesellschaft stellen. Die Leben retten und dabei oft genug selbst ihr Leben riskieren müssen. Wir setzen uns dafür ein, dass Politik und Gesellschaft das nicht mehr stillschweigend hinnehmen. Wir werden das unseren Kolleginnen und Kollegen nicht länger zumuten und erwarten, dass sich der Dienstherr in jeglicher Hinsicht schützend vor seine Beschäftigten stellt.

Oft wird übersehen, dass die im öffentlichen Dienst Beschäftigten auch Menschen sind, welchen mit dem gleichen Respekt begegnet werden sollte, wie ihn die Bürgerinnen und Bürger auch vom öffentlichen Dienst erwarten. Meist werden die Leistungen unserer Kolleg(inn)en als selbstverständlich angesehen. Vermisst werden sie wohl erst dann, wenn diese ausbleiben. Dies kann durchaus geschehen, wenn sich nicht mehr genügend junge Menschen für einen Berufsweg im öffentlichen Dienst entscheiden, und eine Karriere in der Wirtschaft vorziehen. Das dürfte weder im Interesse der Dienstherren noch der Bevölkerung im Freistaat sein.

Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch für die vor Ihnen liegende Arbeit wünschen wir Ihnen, der Landesleitung, sowie dem gesamten tbb viel Erfolg. Dies nicht zuletzt auch der in Thüringen lebenden Menschen, welche von einer effizienten und bürgernahen Verwaltung nur profitieren können.

Das Interview führte Roland Spitzer.

Pressemitteilung des Interview als PDF

zurück