30. Juli 2020

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes

Mindestalimentation von Richtern im Land Berlin

Das Bundesverfassungsgericht hat mit am 28. Juli 2020 veröffentlichter Entscheidung vom 4. Mai 2020 (Az. 2 BvL 4/18) festgestellt, dass die Richterbesoldung im Land Berlin in den Jahren 2009 bis 2015 in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen war.

Sachverhalt:

Kläger der Ausgangsverfahren sind Richter im Dienste des Landes Berlin und die Witwe eines Richters. Die erstmals im Jahr 2009 gegen die Besoldungshöhe erhobenen Widersprüche der Kläger blieben ebenso wie ihre nachfolgenden Klagen vor dem Verwaltungsgericht bis in die Berufungsinstanz erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Revisionsverfahren ausgesetzt, um dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die Besoldung in den streitgegenständlichen Besoldungsgruppen mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sei.

 

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Besoldungsvorschriften des Landes Berlin mit dem von Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsprinzip unvereinbar sind, soweit sie die Besoldung der Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 sowie der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 betreffen.

Der Zweite Senat begründet seine Entscheidung u.a. damit, dass eine Gesamtschau der für die Bestimmung der Besoldungshöhe maßgeblichen Parameter ergebe, dass die im Land Berlin in den verfahrensgegenständlichen Jahren und Besoldungsgruppen gewährte Besoldung evident unzureichend war. Sie habe nicht genügt, um Richtern und Staatsanwälten nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung dieser Ämter für die Allgemeinheit einen der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen.

Für alle verfahrensgegenständlichen Jahre lasse sich feststellen, dass die Besoldungsentwicklung in Berlin in den jeweils vorangegangenen 15 Jahren um mindestens 5 % hinter der Entwicklung der Tariflöhne im öffentlichen Dienst und der Verbraucherpreise zurückgeblieben war. In den Jahren 2010 bis 2014 habe die Differenz zur Tariflohnsteigerung bei über 10 % gelegen. Auch sei das Mindestabstandsgebot in den unteren Besoldungsgruppen durchgehend deutlich verletzt worden. Hinsichtlich der Entwicklung des Nominallohnindex und im Quervergleich mit der Besoldung in Bund und Ländern seien die maßgeblichen Schwellenwerte jedoch nicht überschritten worden. Weil damit drei von fünf Parametern der ersten Stufe erfüllt seien, bestehe die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation, so der Zweite Senat.

Der Zweite Senat führt weiter aus, dass diese Annahme im Rahmen der Gesamtabwägung von weiteren alimentationsrelevanten Kriterien erhärtet werde. Mit dem Amt eines Richters oder Staatsanwaltes seien vielfältige und anspruchsvolle Aufgaben verbunden, weshalb hohe Anforderungen an den akademischen Werdegang und die Qualifikation ihrer Inhaber gestellt würden. Gleichwohl habe das Land Berlin nicht nur die formalen Einstellungsanforderungen abgesenkt, sondern auch in erheblichem Umfang Bewerber eingestellt, die nicht in beiden Examina ein Prädikat („vollbefriedigend“ und besser) erreicht hätten. Dies zeige, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion, durchgehend überdurchschnittliche Kräfte zum Eintritt in den höheren Justizdienst in Berlin zu bewegen, nicht mehr erfüllt habe. Gegenüberstellungen mit Vergleichsgruppen außerhalb des öffentlichen Dienstes führten im Rahmen der Gesamtabwägung zu keiner anderen Bewertung. Schließlich seien verschiedene Einschnitte im Bereich des Beihilfe- und Versorgungsrechts zu berücksichtigen, die das zum laufenden Lebensunterhalt verfügbare Einkommen zusätzlich gemindert hätten.

Die Unterschreitung des durch Art. 33 Abs. 5 GG gebotenen Besoldungsniveaus sei auch nicht durch kollidierendes Verfassungsrecht, zu der auch die Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung zähle, zu rechtfertigen.

Der Gesetzgeber des Landes Berlin wurde aufgefordert, verfassungskonforme Regelungen mit Wirkung spätestens vom 1. Juli 2021 an zu treffen. Eine rückwirkende Behebung sei hinsichtlich derjenigen Richter und Staatsanwälte erforderlich, die sich gegen die Höhe ihrer Besoldung zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben. Dabei sei es unerheblich, ob insoweit ein Widerspruchs- oder ein Klageverfahren schwebe.

Fazit

Im Zuge dieser Entscheidung konkretisierte das BVerfG seine Maßgabe, dass die Höhe der Besoldung der niedrigsten Besoldungsgruppe (Eingangsamt) mindestens 15 Prozent über dem Grundsicherungsniveau liegen muss: Das BVerfG geht bei der Berechnung des Grundsicherungsniveaus davon aus, dass – beispielsweise bei Miet- und Heizkosten – die tatsächlichen Bedürfnisse und nicht nur Pauschalierungen zu Grunde gelegt werden müssen: „Um der verfassungsrechtlichen Zielsetzung, das Grundsicherungsniveau als Ausgangspunkt für die Festlegung der Untergrenze der Beamtenbesoldung zu bestimmen, gerecht zu werden, muss der Bedarf für die Kosten der Unterkunft so erfasst werden, wie ihn das Sozialrecht definiert und die Grundsicherungsbehörden tatsächlich anerkennen. Auch muss der Ansatz so bemessen sein, dass er auch in den Kommunen mit höheren Kosten der Unterkunft das Grundsicherungsniveau nicht unterschreitet.“

Damit erteilt das Gericht den Gesetzgebern eine Absage, die lediglich auf die durchschnittliche Betrachtung im Existenzminimumbericht abstellen wollten. Die Karlsruher RichterInnen betonten zudem, dass der Besoldungsgesetzgeber sich seiner aus dem Alimentationsprinzip ergebenden Verpflichtung nicht mit Blick auf Sozialleistungsansprüche – etwa den Bezug von Wohngeld – entledigen kann. Die angemessene Alimentation müsse durch das Beamtengehalt selbst gewahrt werden.

Die Festlegung der Berechnungsmethode könnte auch Auswirkungen auf die Besoldung in Thüringen haben. Der tbb wird zeitnah dazu Gespräche mit dem TFM führen.

 

Link zu Seite des BVerfG - Pressemitteilung 

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