Rotstift bei den Personalkosten wäre fatales Signal
Mitgliedsgewerkschaften des Thüringer Beamtenbundes warnen vor Rückfall in die Rotstiftpolitik vergangener Jahre
„Der tbb lehnt die Überlegungen der Thüringer Finanzministerin ab, zur Deckung etwaiger Haushaltsdefizite aufgrund der Corona Pandemie Tarif- und Besoldungserhöhungen auszusetzen.“ Mit diesem einstimmigen Beschluss des Landeshauptvorstands in seiner Videokonferenz am 20. Mai machten die Vorsitzenden aller Mitgliedsgewerkschaften im tbb deutlich, dass sie einen Rückfall in vergangene Denkmuster nicht akzeptieren.
Am 19. Mai 2020 hatte Finanzministerin Heike Taubert „Sparen im öffentlichen Dienst als Option“ gesehen, um die Auswirkungen der Corona-Krise auf die finanzielle Situation Thüringens abzumildern. „Möglicherweise können wir die Gehaltserhöhung ein Jahr aussetzen“, hatte sie öffentlich überlegt.
Bei den Gesundheitsämtern, in Krankenhäusern und Pflegeheimen, in der Kinderbetreuung und vielen weiteren Bereichen wird Dienst an vorderster Front geleistet. In der Verwaltung werden Hilfskonzepte erarbeitet und Leistungen bewilligt, und dies häufig auch am Wochenende und weit über die üblichen Arbeitszeiten hinaus. Wer will all diesen Menschen sagen, dass Sie weniger verdienen sollen? Erst auf den Balkons stehen und applaudieren, und kurz darauf den gleichen Menschen sagen, dass sie Kürzungen bei ihrem Gehalt hinnehmen sollen, das passt nicht zusammen.
Während der Corona-Pandemie zeigten sich die Folgen der fatalen Rotstiftpolitik vergangener Jahre: Viele Behörden arbeiteten am Limit, allen voran die Gesundheitsämter und der Bereich Arbeitsschutz, stellten die tbb-Gewerkschafter fest. Jedem sei in den vergangenen Wochen und Monaten klar geworden, dass die Corona-Krise auch in der Wirtschaft deutliche Spuren hinterlassen wird. Dennoch sei Sparen beim öffentlichen Dienst auch jetzt der falsche Weg. Es sei gut und richtig, dass Bund und Länder Geld in die Hand nehmen, um den mit der Corona-Pandemie einhergehenden Wirtschaftseinbruch und die daraus resultierenden Folgen für die Beschäftigten aller Branchen sowie die Kulturschaffenden abzumildern. Zugleich wurde die Notwendigkeit betont, die angespannte Personalsituation im öffentlichen Dienst nicht aus den Augen zu verlieren. Sparen zur Konsolidierung der stark gebeutelten öffentlichen Haushalte ist das falsche Signal.
Mit dieser Einschätzung befindet sich der tbb in guter Gesellschaft. Lars Feld, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, und Marcel Fratzscher, er leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und ist Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität Berlin, warnen einvernehmlich davor, fehlende Einnahmen mit Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen zu kompensieren. Nach der Finanzkrise 2008 habe Deutschland seine Schulden durch ein starkes Wirtschaftswachstum abgebaut und viele neue Arbeitsplätze geschaffen, ohne Steuern zu erhöhen. Deshalb müsse man jetzt „expansive fiskalpolitische Impulse setzen". Nur so könne der wirtschaftliche Schaden begrenzt und ein Neustart der Wirtschaft gewährleistet werden.
Kontrast: In Nordrhein-Westfalen haben sich ebenfalls am 19. Mai Vertreter der dortigen Landesregierung mit dem dbb und DGB getroffen, um über die Themen Attraktivitätssteigerung und insbesondere Arbeitszeit im öffentlichen Dienst zu beraten. Wie Thüringen unter diesen Bedingungen dringend benötigte Nachwuchskräfte für den öffentlichen Dienst gewinnen und konkurrenzfähig sein will, ist wohl das Geheimnis der Finanzministerin.
Da die tatsächliche Entwicklung der Steuereinnahmen gegenwärtig nur sehr schwer einzuschätzen ist, begrüßt der tbb zur besseren Einschätzung der Lage die für September zusätzlich geplante Steuerschätzung.
V.i.S.d.P. Helmut Liebermann 0178-4773917