26. April 2021

Thüringer Beamtenbund

Positionierung zu Inhalten eines Gesetzes zur Herstellung einer verfassungsgemäßen Alimentation

Der tbb fordert zur Wiederherstellung einer verfassungsmäßigen Besoldung im Freistaat Thüringen die allgemeine Anhebung der Grundbesoldung, mindestens jedoch die Anhebung der allgemeinen Stellenzulage. Daneben bedarf es einer Erhöhung der kinderbezogenen Besoldungsbestandteile. Dazu brauchen wir Ihre Unterstützung – jetzt!!!

Wichtige Vorbemerkungen

Als Ausgleich für verfassungsrechtlich nicht vorgesehene Verhandlungsrechte im Beamtenbereich hat der Gesetzgeber den Spitzenorganisationen ein so genanntes Beteiligungsrecht eingeräumt. Danach sind die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse zu beteiligen (§ 118 Bundesbeamtengesetz (BBG), 95 Thüringer Beamtengesetz (ThürBeamtG), § 53 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG)).

Wir nehmen unser Beteiligungsrecht ernst und konstruktiv wahr. Das geschieht jedoch oft still und außerhalb der öffentlichen Wahrnehmbarkeit. Verpflichtet uns doch das gleiche Recht, das uns Beteiligung garantiert, auch zur Verschwiegenheit.

Beteiligung heißt jedoch nicht echte Mitwirkung. Man muss uns hören, auch zuhören und kann – so will es die Gewaltenteilung richtigerweise – am Ende selber entscheiden.

Der Thüringer Beamtenbund vertritt über seine Fachgewerkschaften die Interessen von fast einem Drittel aller Beschäftigten und Beamten im Bundes-, Landes- und Kommunaldienst in Thüringen. In den letzten Wochen und Monaten haben wir uns in zahlreichen Gesprächen, Briefen, Videokonferenzen für die Herstellung einer verfassungskonformen Alimentation eingesetzt. Die Antwort unserer Finanzministerin war – Anhebung der Kinderzuschläge, da der Haushalt nicht mehr erlaubt. Wir sagen: Der Haushalt allein ist nicht der Maßstab, um eine verfassungskonforme Besoldung im Freistaat Thüringen herzustellen. Zahlreiche Urteile der Vergangenheit stützen uns: Der Beamte muss nicht allein zur Haushaltskonsolidierung beitragen!

Wenn Sie unsere Position unterstützen wollen – werden Sie Mitglied in einer unserer Fachgewerkschaften! Jetzt! Ein Drittel reicht scheinbar noch nicht, wir brauchen Euch alle!!!

Zur Position

Nach der Ankündigung aus dem Finanzministerium soll eine verfassungsgemäße Ausgestaltung der Besoldung ausschließlich über die Anhebung der kindbezogenen Anteile im Familienzuschlag erfolgen. Begründet wird dies damit, dass das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Sicherstellung des Abstandes zum Grundsicherungsniveau dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum gegeben hat. Der tbb fordert, dass neben einer dem BVerfG Beschluss vom 04.05.2020 2 BvL 6/17 u.a. zu kinderreichen Familien entsprechenden Anhebung der Kinderzuschläge ab dem 3. Kind eine Anhebung der Grundbesoldung als Folge des BVerfG Beschlusses vom gleichen Datum (2 BvL 4/18) erfolgen muss. Zudem führt die Erhöhung der kindbezogenen Zuschläge nicht zu einer Erhöhung der Versorgung.

Wir halten dies aus mehreren Gründen für geboten: zum einen wurden in den letzten Jahren verschiedene Entscheidungen, wie die Abkopplung der B-Besoldung vom Endamt A 15,  die Streichung der Besoldungsgruppen des einfachen Dienstes A3 bis A 5, die Anhebung der Eingangsbesoldung für Grund- und Regelschullehrer, die Streichung von Stufen einzelner Besoldungsgruppen sowie von Beförderungsämtern sowie die Anhebung der Eingangsbesoldung für Finanz- und Polizeibeamten und der W-Professuren getroffen, die einzelne Berufsgruppen aus dem Gesamtkonzept der Besoldung herausgenommen haben, um diese einzeln neu zu bewerten. Dabei wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt, ob dies notwendig war. Mit jeder dieser Änderungen wurde jedoch das Gesamtbesoldungskonzept (Grundstruktur) nachhaltig verändert, das Verhältnis der einzelnen Berufsgruppen mit Blick auf ihre Laufbahnen, ihre Verantwortung und Aufgaben wurde zerpflückt.

Zum anderen zeigen unsere Berechnungen, dass die Alimentation auch unabhängig von Kindern für eine zweiköpfige Beamtenfamilie in der untersten Besoldungsgruppe nicht mehr ausreichend ist. In dieser Personengruppe kann die Herstellung eines verfassungskonformen Besoldungszustandes jedoch fast ausschließlich nur über die Anhebung der Grundbesoldung vorgenommen werden.

Darüber hinaus ist nach unseren Berechnungen auch die Versorgung bereits betroffen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung (2 BvL 4/18 Rn. 24) grundlegend ausgeführt (Hervorhebung vom Verfasser): „Die prägenden Strukturmerkmale des Berufsbeamtentums stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern sind eng aufeinander bezogen (zu Lebenszeit- und Alimentationsprinzip vgl. BVerfGE 119, 247; 121, 205; zu Treuepflicht und Alimentationsprinzip vgl. BVerfGE 21, 329; 44, 249 ; 130, 263 ; zu Treue und Fürsorgepflicht vgl. BVerfGE 9, 268 ; ferner auch BVerfGE 71, 39 ). … Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot, während diese umgekehrt eine gerichtliche Kontrolle der Alimentation erfordern; diese Strukturprinzipien sind untrennbar miteinander verbunden (vgl. BVerfGE 8, 1 ; 44, 249 ; 119, 247 ; 148, 296 ).“ Nicht umsonst hebt das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich hervor: „Versorgung und Besoldung sind Teilelemente des einheitlichen Tatbestands der Alimentation und schon bei Begründung des Richter- und Beamtenverhältnisses garantiert (vgl. BVerfGE 114, 258 <298>). Der Dienstherr ist gehalten, den Unterhalt der Richter und Staatsanwälte lebenslang – und damit auch nach Eintritt in den Ruhestand – zu garantieren (vgl. BVerfGE 76, 256 <298>; 114, 258 <298>).“ (ebd., Rn. 91)

Ausgehend von diesen untrennbaren miteinander verbundenen Prinzipien kann es keine unterschiedliche Betrachtung zwischen inaktiven Beamten und Richtern (Versorgungsempfänger) sowie aktiven Beamten und Richtern geben. Anderenfalls wären Versorgungsempfänger ggf. auf ergänzende Sozialleistungen zu verweisen, was wiederum verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist (BVerfGE 2 BvL 4/18 – Rz. 52 ; juris). Da die Alimentation als Gewährleistungsanspruch nach Art. 33 Abs. 5 GG auf Lebenszeit und auf die Familie des Beamten oder Richters ausgerichtet ist, entfaltet dieser vom BVerfG weiter ausgeformte Grundsatz bezüglich des Mindestabstandes zum Grundsicherungsniveaus natürlich auch für die Versorgung des Ruhestandsbeamten Wirkung. Eine an die o.a. Bundesverfassungsgerichtsentscheidung angelehnte Betrachtung für Ruhestandsbeamte kann in der Regel etwaige Bedarfe für Kinder nicht berücksichtigen. Daher wurden die Betrachtungen des Bundesverfassungsgerichtes zu aktiven Beamten auf die inaktiven Beamten (Versorgungsempfänger) mit einem Anspruch auf Mindestversorgung nach den §§ 12 Abs. 1, 21 Abs. 4 ThürBeamtVG übertragen.

Aufgrund der deutlichen Unterschreitung der Grundsicherungsleistungen wird unmissverständlich erkennbar, dass ein besoldungsrechtliches Strukturproblem vorliegt, welches sich nicht allein durch eine Korrektur von kindbezogenen Anteilen im Familienzuschlag verfassungskonform und rechtssicher beheben lässt, da diese nicht „versorgungsrelevant“ sind und auch nicht für kinderlose Beamte wirken.

Nach den derzeitigen, aber auch künftig angedachten besoldungsrechtlichen Regelungen ist nicht auszuschließen, dass einzelne Ruhestandsbeamte auf ergänzende Grundsicherungsleistungen zu verweisen wären (Sozialhilfe), was wiederum als verfassungswidrig einzustufen wäre.

Das Bundesverfassungsgericht selbst führte in seinem Beschluss (BVerfG Beschluss des Zweiten Senats vom 4.Mai 2020- 2 BvL 4/18 Rn. 49) aus: „Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurück bleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können.“

Vor dem Hintergrund, dass nach eigenen Angeben des TFM nicht nur bei der untersten Besoldungsgruppe (Besoldungsgruppe A6) der Mindestabstand verletzt und deutlich unterschritten wurde, sondern dies bis zu Besoldungsgruppe A9 (Eingangsamt in der Laufbahn des gehobenen Dienstes = hier verfügen die Beamten in der Regel über einen Fachhochschulabschluss) hineinreicht, wird eine Korrektur dieses Verfassungsverstoßes allein über die kindbezogenen Anteile des Familienzuschlags als nicht verfassungskonform im Sinn der obigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes angesehen.

Dies stützt unsere Forderung nach einer spürbaren Anhebung der Grundbesoldung.

Alternativ könnte daneben über eine Anhebung der allgemeinen Stellenzulage oder Einführung einer jährlichen Sonderzahlung nachgedacht werden. Es sollte sich dabei jedoch um Maßnahmen handeln, die alle Besoldungsgruppen unter Wahrung des Abstandsgebotes treffen.

Da eine Reparatur nicht über das Besoldungsniveau, sondern allein über die kindbezogenen Anteile im Familienzuschlag erfolgen soll, kommt es neben einer Einebnung des Alimentationsniveaus zwischen den Besoldungsgruppen zu einer Ungleichbehandlung mit anderen Besoldungsgruppen (ab A10). So würde bspw. rückblickend für das Jahr 2013 bei der Besoldungsgruppe A11 für eine vergleichbare Konstellation eine um 200 € geringere Gesamtalimentation gegenüber der Besoldungsgruppe A9 zu verzeichnen sein. Gleiches würde für eine zwischenzeitliche Beförderung aufgrund guter Leistung entsprechend gelten, da dann die Gesamtalimentation geringer wäre, als vor einem Aufstieg in das nächst höhere Amt (bspw. von A9 zu A10).

Durch die Überbetonung der familienbezogenen Besoldungsbestandteile würden diese Zuschläge faktisch zu einem 2. Gehalt, das nicht Versorgungsbestandteil wird.

Das wird vom tbb abgelehnt.

tbb-Positionierung als PDF

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