05. Mai 2021

„(Raben)Vater Staat!?“

Wie geht der Staat mit seinen Beamten um?

Polizisten, Lehrer, Feuerwehrleute, Arbeitsschützer, Hygieneinspektoren: Wenn der Staat Geld sparen muss, hält er sich am einfachsten und am liebsten an seine Beamten. Ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts versprach dem ein Ende zu setzen, doch „Rabenvater Staat“ findet (Ausweich-) Lösungen.

Wir hören sie zu oft – die Vorurteile über Beamte. Sie sollen faul sein, langsam, entscheidungsmüde und wahrscheinlich Innovationsbremsen. Auch heißt es von manch Lästerbacke, sie wären unbestechlich, sie würden ja nicht mal Vernunft annehmen. Satirisch betrachtet, muss man daher auch schlussfolgern, dass wohl deshalb der Freistaat Thüringen auch keine Aufgabenkritik mit nachfolgender Personalerhebung brauche, nicht wissen will, wieviel Personal er denn nun eigentlich zur tatsächlich Aufgabenerledigung braucht. Denn - so heißt es dann weiter von den gleichen Lästermäulern - von Personal und gerade auch von Beamten hat man eh viel zu viel.

Verhandlungen für die Tarifbeschäftigte

Für die Tarifbeschäftigten wird der Lohn bekanntlich zwischen Arbeitnehmervertretungen (auch uns) und der Arbeitgeberverband (in dem auch der Freistaat ist) ausgehandelt. Wenn´s nicht passt, wird gestreikt. Streiken genügend, muss im Angebot nachgebessert werden. Und trotzdem ist es richtig, dass Beamte als Garanten für einen funktionsfähigen Staat nicht streiken dürfen.

Der Staat bestimmt selbst, was er seinen Beamten zahlt

Und für die Beamten? Nichts leichter als das – das macht der Gesetzgeber einseitig (ok, wir werden um Meinung gefragt) und ganz einfach über ein neues Gesetz. Meist ist schon im Koalitionsvertrag der jeweiligen Regierung klar, wo die Reise hingeht. Mit der einseitigen (und relativ freien) Festlegung der Besoldungshöhe sollte dank eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes jetzt Schluss sein. Denn unser höchstes Gericht gab klare Parameter vor, an denen die Angemessenheit der Besoldung klar nachvollziehbar berechnet werden kann. Jetzt sollte doch alles gut sein!?

8.900 Kolleginnen und Kollegen zu gering besoldet

Und ja, es fing gut an: Das Thüringer Finanzministerium stellte sehr schnell fest, dass es einen Verstoß auch in der Thüringer Besoldung gab, sogar bis zum Eingangsamt des gehobenen Dienstes, der A9 (wir erinnern uns, die Einteilung war einfacher, mittlerer, gehobener, höherer Dienst). Sprich: Wahrscheinlich mindestens 8.900 Kolleginnen und Kollegen (A6 bis A9), übersetzt jedem Feuerwehrmann, jedem Rechtspfleger, jedem Finanz- und Verwaltungsbeamte, jedem Mitarbeiter im Gesundheitsamt und noch so viele mehr, zahlte und zahlt der Thüringer Freistaat zu wenig. Nicht erst seit gestern. Ein Land, das den Mindestlohn im Vergabegesetz (und das war gut so) eingeführt hat, ein gewerkschaftsfreundlichen Land mit ausgeprägt sozialer Regierung, zahlt den eigenen Leuten nicht den angemessenen Lohn. 8.900 Beamtinnen und Beamte, fast ein Drittel aller Landesbeamten. Und das sind nur diejenigen, die von den Auswirkungen des Urteils direkt erfasst wären. Durch das besoldungsrechtliche Abstandsgebot betrifft es alle Beamten und Richter im Landes- und Kommunaldienst, insgesamt damit fast 35.000 Kolleginnen und Kollegen.

Staat und Beamte haben einen Deal

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes war überfällig. Die durchaus klaren Worte, die es dabei fand, überraschen. So heißt es auszugsweise: „die im Land gewährte Besoldung ist evident unzureichend…. Der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau wurde durchgehend für die jeweils unterste Besoldungsgruppe bei weitem unterschritten… Die Absenkung der Einstellungsanforderungen zeigt, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion nicht (mehr) erfüllt hat…“ So klare Worte gab es selten, doch sie waren nötig. Denn zwischen dem Staat und seinen Beamten gibt es seit jeher einen Deal: Der Staat bietet lebenslange Alimentation, die Beamten bieten Treue. In den vergangenen Jahren war es jedoch so, dass der Staat allzu oft diese Treuepflicht ausgenutzt hat, um sich ein wenig aus der Alimentation zu stehlen. Sei es über verspätete Anpassungen, die Absenkung des Versorgungsniveaus, die Kürzung der Beihilfe, die Verlängerung der Arbeitszeit, Abführungen von der Besoldung jedes einzelnen Beamten an einen Pensionsfond, der dann im Haushalt aufging, die Streichung der Sonderzahlung (Weihnachtsgeld u.ä.), das Weglassen von Beförderungen bzw. ganz und gar das Streichen von Beförderungsmöglichkeiten (für den Außenstehenden durchaus überraschend: im Gegensatz zum Tarifbereich, in dem der Beschäftigte sofort das Gehalt lt. Eingruppierung seiner Tätigkeit erhält, muss erst geprüft werden, ob im Haushalt eine Beförderungsstelle da ist, und erst dann wird -manchmal erst über viele, viele Jahre- der Beamte dorthin mit seiner Besoldung „entwickelt“ und bekommt erst dann dieses Geld für den Dienst, den er bereits von Anfang an leistetet).

Wenn irgendwo Geld gespart werden musste, hielt sich „Rabenvater Staat“ an seine Beamten: an Lehrer, Polizisten, Feuerwehrleute und die Verwaltungsbeamten. Der Beamte - eine HaushaltsLAST, eine PensionsLAST. So scheint die Wahrnehmung nicht nur in der Politik.

In Thüringen  ist die Besoldung in Thüringen schon lange in Schieflage geraten: Als man vor 7 Jahren bereits im einfachen Justizdienst merkte, dass nicht nur neues Personal ausblieb, sondern vorhandenes an der Grenze zur Grundsicherung stand, strich man einfach den einfachen Dienst als schnelle „Lösung“, es gibt keinen Lehrernachwuchs – dann besser alle Lehrer in die A 13 anheben, keine Polizisten – dann auch hier schnell eine Stufe höher, Professoren bleiben aus – auch hier schnell die Besoldung entgegen aller vorhandenen Prinzipien und Regeln schnell mal nach oben geschraubt. Die ausbrechenden „Krankheitsherde“ in der Besoldung wurden mit Kosmetik kuriert. Doch auch für die Änderung der Besoldung gelten eigentlich Regeln. Eigentlich! In der Praxis leider nicht. So folgte der Ruf nach verfassungsgerichtlicher Entscheidung, bereits zu wiederholten Male.

Ein Urteil soll es richten

Lang erwartet, herbeigesehnt, Licht am Ende eines langen Tunnels, Hoffnungsträger war da das Bundesverfassungsgericht. Aber auch Urteile eines Verfassungsgerichtes lassen Raum für Interpretationen. Und anstelle eines angemessenen Vorschlages der Finanzministerin, soll wohl wieder einmal haushaltsbedingte Zurückhaltung der Maßstab werden: Ein bis zur A9 festgestellter anhaltender Verstoß gegen eine amtsangemessene Besoldung soll geheilt werden, durch die Streichung der Stufe 1 für A6 und A7 und einer Anhebung der Kinderzuschläge. Was wird also aus den Kolleginnen und Kollegen, die keine berücksichtigungsfähigen Kinder (mehr) haben (man beachte das Durchschnittsalter der Landesbeschäftigten von 52 Jahren!). Gänzlich unbeachtlich bleibt das noch vom Verfassungsgericht ausdrücklich geforderte Einhalten des Abstandsgebot zur nächsthöheren Besoldungsgruppe (hier A8). Die Streichung der Stufe 1 nimmt zudem eine weitere Entwicklungsstufe im Alter und hinzu kommt, dass Kinderzuschläge nicht versorgungsrelevant sind und sich damit die Vefassungswirdrigkeit der Besoldung auch bis zum Lebensende fortsetzen könnte. Große Enttäuschung auch für all diejenigen, die im Vertrauen auf die Fürsorgepflicht ihres Dienstherrn keinen Widerspruch gegen ihre Besoldung in den letzten 10 Jahren eingelegt haben. Eine Treue, die für viele scheinbar keine Erwiderung fand.

Der Entwurf wurde vom Finanzministerium erarbeitet, die Ressorts, die ihn ablehnten, wurden mit Verweis auf die Haushaltslage wieder auf Spur gebracht. So folgt der großen Hoffnung auf Frieden in Besoldungsfragen wohl erneut Enttäuschung. Dieser "Schneewittchenapfel" wird unter dem Deckmantel der Eile an die Abgeordneten im Thüringer Landtag weitergereicht. 

Nun sollen es also die Abgeordneten im Thüringer Landtag richten. 

In ein paar Tagen hat der tbb seinen alle 5 Jahre stattfindenden Gewerkschaftstag. Alle 5 Jahre bekennen sich in zahlreichen Grußworten die anwesenden Vertreter der Parteien und der Regierung zu uns und zum Berufsbeamtentum. Das sollte nicht nur an diesem Tag so sein, sondern auch an dem Tag, an dem über amtsangemessene Besoldung entschieden wird!

Wir, die Vertreter der Beamten und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes fordern von der Landesregierung und den Landtagsabgeordneten ein klares Bekenntnis zum Beamtentum, mit allem was dazu gehört. Einschließlich einer amtsangemessenen Alimentation nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes. 10 Jahre haben wir auf das Urteil gewartet. Wir haben Zeit.

Wir sind der öffentliche Dienst! Wir machen (den) Staat!

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