04. März 2025

Die langfristigen Herausforderungen des öffentlichen Dienstes dürfen nicht außer Acht gelassen werden!

Stellungnahme der dbb jugend thüringen

"Die langfristigen Herausforderungen des öffentlichen Dienstes dürfen nicht außer Acht gelassen werden!" Stellungnahme der dbb jugend thüringen zur Meldung des Thüringer Finanzministeriums.

Hintergrund: Meldung Thüringer Finanzministerium vom 21.02.2025 „Finanzministerin Katja Wolf informiert über finanzpolitische Lage und den Stand der Beratungen zum Landeshaushalt 2025“ Die Landesregierung plant Einsparungen bei den Personalkosten vorzunehmen. Beim Einstellen neuer Mitarbeitenden werde man Laut Frau Wolf in den nächsten Jahren extrem zurückhaltend agieren. Nachbesetzungen dürfen nur mit guten Begründungen erfolgen, bei zusätzlichen Stellen bedarf es noch höherer Standards. Ausnahmen gäbe es nur im Lehramt, im Justiz-Vollzug und bei der Polizei.

Der Personalmangel nimmt zu

Dem Land Thüringen steht eine Pensionswelle bevor, welche die Verwaltung vor massive Herausforderungen bei der Digitalisierung und beim Abbau von Bürokratie stellt. Etwa die Hälfte der Beschäftigten geht in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand und bis zum Jahr 2035 werden 14.000 Stellen in der Landesverwaltung unbesetzt blieben. Bereits jetzt sind 4.000 Stellen unbesetzt. (Süddeutsche Zeitung 11. Juni 2024, 15:22 Uhr) [1]

In den nächsten zehn Jahren werden 26,4 % aller Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst altersbedingt ausscheiden. In den nächsten 20 Jahren sogar 49,3 % (Monitor öffentlicher Dienst 2025, dbb).[2] Diese Entwicklung betrifft alle Bereiche, von der Verwaltung über die Bildung bis hin zur Polizei.

Die angespannte Haushaltssituation in Thüringen ist unbestreitbar. Dennoch dürfen wir nicht die langfristigen Herausforderungen im öffentlichen Dienst außer Acht lassen, insbesondere den drohenden Personalmangel und die Nachwuchsproblematik.“ so Saskia Grimm, Landesjugendleiterin der dbb jugend thüringen. „Wenn zukünftig 14.000 Beschäftigte fehlen, sollte das Grund genug sein, offene Stellen schnellstmöglich zu besetzen, um einen funktionieren öffentlichen Dienst zu garantieren.“ Das Ankündigen von einem pauschalisierten Nichtbesetzen von Stellen und der Einsparung dieser, setzt ein falsches Signal. „Die bisherigen Sparmaßnahmen und der restriktive Umgang mit Neueinstellungen verschärfen diese Problematik zusätzlich. Es ist daher unerlässlich, jetzt in die Ausbildung und Gewinnung von Fachkräften zu investieren. Der öffentliche Dienst muss als attraktiver Arbeitgeber positioniert werden, der nicht nur sichere Arbeitsplätze, sondern auch Entwicklungsmöglichkeiten und Wertschätzung bietet.“ fährt Frau Grimm fort.

Zahlreiche Bereiche des öffentlichen Dienstes sind merklich von knappen Personalständen betroffen. Dies bekommen nicht selten bereits die Bürger und Bürgerinnen in ihrem Alltag zu spüren: Die Müllabfuhr gerät ins Stocken und Entsorgungstouren fallen aus, da sich in der Abfallbranche kein Personal findet [3]. Im Thüringer Bahnverkehr fallen immer mehr Regionalzüge aus, 2023 war es jeder vierzehnte Zug. Häufigste Ursache dafür? Der Personalmangel [4]. Studierende in Thüringen müssen monatelang auf ihren Bafög-Bescheid warten, als Grund hierfür wird ebenfalls der Personalmangel benannt [5].

Der öffentliche Dienst ist am Limit

Damit ist die Liste der Beispiele nicht abgeschlossen. Zahlreiche Bereiche des öffentlichen Dienstes leiden unter einem erheblichen Personalmangel, das vorhandene Personal ist überlastet, die Stimmung ist angespannt und die Arbeit verdichtet sich zunehmend. Der öffentliche Dienst ist am Limit. Der Städte- und Gemeindebund warnt sogar vor einem Zusammenbruch des öffentlichen Dienstes, da der Personalmangel zu einem „schleichenden Blackout“ führe.  "Der Personalmangel wird die Arbeit des öffentlichen Dienstes und vor allem der Kommunen massiv beeinträchtigen und kann die Daseinsvorsorge an den Rand des Zusammenbruchs bringen.", warnt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Andre Berghegger [6]. Um dem entgegenzuwirken, muss sich der öffentliche Dienst als attraktiver Arbeitgeber etablieren, welcher gute Rahmenbedingungen und einen sicheren Arbeitsplatz verspricht. Die Aussagen der Thüringer Finanzministerin Katja Wolf, dass im öffentlichen Dienst Stellen nicht nachbesetzt und das Einrichten von neuen Stellen erschwert wird, haben für Nachwuchskräfte eine abschreckende Wirkung. Die Landesjugendvorsitzende Saskia Grimm betont „Es ist an der Zeit, mutige und vorausschauende Entscheidungen zu treffen, um die Handlungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in Thüringen zu sichern.“ Pauschalisierte Personaleinsparungen sind nicht zukunftsförderlich.

Die geplanten Personaleinsparungen auf Landesebene in Thüringen betreffen mehrere Bereiche der öffentlichen Verwaltung. Darunter auch die Finanzämter, diese bekommen bereits jetzt die Auswirkungen der Sparmaßnahmen zu spüren. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Zusammenlegung der Finanzämter in Sonneberg und Suhl zum neuen Finanzamt Südthüringen zum 1. September 2024. Diese Maßnahme wurde ergriffen, um den demografischen Herausforderungen und Fachkräftemangel zu begegnen. Obwohl beide Standorte erhalten bleiben, zielt die Zusammenführung darauf ab, die Effizienz zu steigern und den Personalbedarf zu optimieren. Doch es wird auch darauf abgezielt, frei gewordene Stellen nicht nachzubesetzen. „So kann der öffentliche Dienst nicht funktionieren. Die Kollegen und Kolleginnen sind schon jetzt in allen Bereichen unterbesetzt. Jede fehlende Stelle sorgt dafür, dass Aufgaben langsamer als vorher erledigt werden.“ warnt Frau Grimm.

Alarmierende Zustände in Schulen, der Polizei und der Justiz

Auch die Zustände in den von den Personaleinsparungen ausgenommenen Bereichen (Lehrer, Polizei, Justiz-Vollzug) sind alarmierend. Beispielsweise verlassen nach wie vor zu viele Studierenden der der Universitäten in Erfurt und Jena nach dem erfolgreichen Studienabschluss Thüringen. Dies darf nicht hingenommen werden, denn nur gute Bildung stellt eine stabile Zukunft dar. Es muss für Lehramtsanwärter*innen attraktiver werden, auch nach dem Vorbereitungsdienst in Thüringen zu bleiben. Die Zeiträume zwischen Studium und Vorbereitungsdienst und zwischen Vorbereitungsdienst und Festanstellung sind immer noch Zeiträume, in denen junge Menschen unseren Freistaat verlassen. 

Ebenso steht die Kriminalpolizei vor erheblichen Herausforderungen. In den kommenden Jahren werden über 300 erfahrene Kriminalbeamte in den Ruhestand treten [7], während bereits jetzt etwa 90 Dienstposten unbesetzt sind. Frau Grimm resümiert „Ohne gezielte Nachwuchsförderung droht eine erhebliche Schwächung der inneren Sicherheit sowie ein Einbruch in unserem Bildungssystem. Alle Kraftanstrengungen müssen in die Besetzung der offenen Stellen fließen.

Auch in der Justiz ist die angespannte Personalsituation deutlich erkennbar. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die grundsätzlich befürwortete Ausweitung der Digitalisierung in der Justiz. Perspektivisch soll diese dazu beitragen, den Arbeitsaufwand der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu verringern. Allerdings führt die noch nicht abgeschlossene Einführung sowie die geplante weitere Ausweitung derzeit zu einem erheblichen Mehraufwand für die Bediensteten. Neben der regulären Arbeitsbelastung ist aktuell eine umfassende Einarbeitung in die technischen Besonderheiten der Digitalisierung erforderlich. Bereits vor der Einführung der Digitalisierung wurde über Personalmangel geklagt. Die fortschreitende Umsetzung ohne eine angemessene personelle Verstärkung geht zu Lasten der Beschäftigten. Der hohe Arbeitsdruck, dem diese ausgesetzt sind, führt vermehrt zu physischen und psychischen Belastungen, die nicht selten in Langzeiterkrankungen münden. Dadurch entstehen weitere personelle Engpässe, die die verbleibenden Beschäftigten zusätzlich herausfordern und die Situation weiter verschärfen. Abigail Rößner, stellvertretende Landesjugendleiterin der dbb jugend thüringen, mahnt: „Darüber hinaus dürfen die Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger nicht vernachlässigt werden. Das Vertrauen in die Justiz wird erheblich beeinträchtigt, wenn Verfahren sich übermäßig in die Länge ziehen oder Anträge nicht zeitnah bearbeitet werden. Dies ist keinesfalls auf eine mangelnde Arbeitsmoral der Bediensteten zurückzuführen, sondern vielmehr eine direkte Folge des bestehenden Personalmangels.“ Eine weitere Reduzierung der Stellen in der Justiz ist daher nicht vertretbar.

Generalisierte Stelleneinsparungen sind keine Lösung

Laut dem Bericht des Thüringer Landesamts für Statistik (2022) belegt Thüringen mit 579 Beschäftigten im öffentlichen Dienst je 10.0000 Einwohnern den vorletzten Platz im Ländervergleich. Nur Brandenburg hat mit 577 weniger Personal. Der Durchschnitt liegt bei 618 Beschäftigten pro 10.000 Einwohnern, Berlin verfügt als Listenerster über 820 Beschäftigte pro 10.000 Einwohnern [8]. Diese Zahlen verdeutlichen, wie die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Thüringen tagtäglich den Arbeitsumfang mit geringem Personalbestand bewältigen. Bleiben nun pensionsbedingt freiwerdende Stellen unbesetzt stellt dies eine wachsende Arbeitsbelastung für vorhandenes Personal dar. Berücksichtigt man den hohen Umfang der Renteneintritte in naher Zukunft wird diese Belastung exorbitant zunehmen.

Zwar verzeichnen die statistischen Zahlen einen Zuwachs des Personals, so waren Zum 30. Juni 2023 rund 1700 Menschen mehr im öffentlichen Dienst beschäftigt als ein Jahr zuvor [9]. Doch es zeichnet sich ein Personalmangel trotz Stellenzuwachs ab. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (2024) bestätigt dieses Paradoxon. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass die Anzahl der Beschäftigten (sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer und Beamte) in den vergangenen zehn Jahren um insgesamt 14% gestiegen ist. Die Studie untersucht den vermeintlichen Widerspruch zwischen Personalzuwachs und Personalmangel und kommt zu dem Ergebnis, dass es einen der größten prozentualen Personalanstiege in der Kernverwaltung, umgangssprachlich dem „Wasserkopf“, gegeben hat. So heißt es in der Studie: „Im Aufgabenbereich „politische Führung und zentrale Verwaltung“ ist auf allen Ebenen ein starker Stellenaufwuchs zu beobachten. Beim Bund stieg die Anzahl um 11.000 (32 Prozent), bei den Ländern um 28.000 (21 Prozent) und bei den Kommunen gar um 79.000 (27 Prozent).“. Dieser starke Personalaufbau sei kritisch zu hinterfragen und wirft die Frage der falschen Verteilung des Personalzuwachses auf. Im Fazit der Studie lautet es: „Der kräftige Personalaufbau im Bereich „politische Führung und zentrale Verwaltung“ ist mit Blick auf eine schlanke und effiziente Verwaltung kritisch zu prüfen. Hier liegt die Vermutung nahe, dass Stellen nicht zuletzt aus politischen Gründen geschaffen worden sind.“ [10]

Auch in Thüringen muss man hinterfragen, ob eine umfassende Stelleneinsparung der richtige Weg für eine Haushaltsentlastung ist. Sinnvoller wäre es, das Personal im öffentlichen Dienst langfristig und vorausschauend zu planen, vorhandenes Personal zu stärken und wertzuschätzen und eine Bedarfsorientierte Personalentwicklung anzustreben. Auf den öffentlichen Arbeitgeber werden zukünftig große Herausforderungen zukommen: der demografische Wandel, die Digitalisierung und immer neue Aufgabenbereiche sind nur einige Stichpunkte. Umso wichtiger ist es, die Beschäftigten zu stärken und Nachwuchs zu fördern. Der öffentliche Dienst ist ein Dienst für die Allgemeinheit und eine angemessene Finanzierung und dessen Akzeptanz unter der Bevölkerung muss für die Thüringer Landesregierung Priorität sein. Es sollte entsprechend des Personalentwicklungskonzepts der Landesregierung (PEK 2035) gehandelt werden. Da heißt es: "Die Aufgabe der Personalentwicklung im Freistaat Thüringen in den nächsten Jahren wird es deshalb sein, leistungsstarke, motivierte und gut ausgebildete Bedienstete zu akquirieren und dauerhaft zu binden, um auch in Zukunft alle wichtigen Aufgaben des Staates rechtsstaatlich, effizient und bürgernah erfüllen zu können." Und dies gelingt nicht durch Einsparungen und durch die von Frau Wolf angekündigten „extrem zurückhaltenden“ Nachbesetzungen und Einstellungen!

Vollständige Stellungnahme der dbb jugend thüringen

 

 

zurück