02. Dezember 2016

tbb Symposium: „Halbzeit R2G“ – Zwischenbilanz für den öffentlichen Dienst

  • Symposium
    Fotos:tbb

Am Dienstag, dem 29. November 2016, debattierte der Thüringer Beamtenbund (tbb) mit dem Thüringer Staatskanzleiminister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff und dem Oppositionsführer im Thüringer Landtag Mike Mohring (CDU) darüber, was sich nach zwei Jahren rot-rot-grüner Regierung für den öffentlichen Dienst in Thüringen verändert hat.

Der Landesvorsitzende des tbb Helmut Liebermann eröffnete dementsprechend das Symposium provokativ mit einem Fazit aus einer aktuellen IFO Umfrage, wonach die rot-rot-grüne (R2G) Regierung an Zustimmung bei den Wählern verliert. Unter den Landesbeschäftigten würde langsam Ernüchterung überwiegen in Anbetracht des Vorhabens für eine Verwaltungs-, Kommunal- und Gebietsreform, über die zwar alle reden, aber keiner von den Verantwortlichen mit den Beschäftigten. Auch habe R2G bislang keine Lösung für den weiterhin bestehenden Stellenabbaupfad in Anbetracht der massiven Aufgabenfülle finden können, was auch weiterhin zu zahlreichen Ausfällen und Problemen, auch im Bereich Polizei und Schule führt. „Arbeit 4.0 in der öffentlichen Verwaltung ist nicht generell eine Lösung – Polizei und Lehrer kann man nicht digitalisieren“, schlussfolgerte Liebermann und betonte gleichzeitig in seiner Eröffnungsrede: „Mitglieder vor Ort in den Behörden sind keine Blockierer. Aber die Maßnahmen müssen für alle erkennbar einen Sinn machen.“

Der Oberbürgermeister der Stadt Weimar Stefan Wolf schloss mit einer Einschätzung der Landesregierung aus kommunaler Sicht an die Rede Liebermanns an. Er befand den Start der R2G Regierung holprig, da er überlagert war vom Thema Flüchtlinge. Die Kommunikation mit dem zuständigen Minister wäre von Anfang an schwierig gewesen. Doch dank des Landesverwaltungsamts sei alles seinen Weg gegangen. Die kommunale Finanzierung war für viele ein Streitfall, jedoch nicht für ihn. Weimar stünde finanziell sehr gut da. Daher verstünde er die Pläne für eine Einkreisung Weimars nicht. „Wir wehren uns als gallisches Dorf gegen die Einkreisung“, so Wolf. Auch beklagte er die mangelnde Kommunikation. Den Menschen vor Ort habe bislang niemand einen vernünftigen Grund für die Einkreisung genannt. Mit dem Personal habe bislang auch niemand geredet. „Wenn ich Landkreise zusammenlege spare ich vielleicht einen Landrat, den Fahrer und seine Sekretärin ein. Die meisten Kollegen werden jedoch nach Fallzahlen beschäftigt und die verändern sich in der Regel durch die Zusammenlegung nicht“, schloss der Weimarer OB seine Rede.

Prof. Everhard Holtmann, Forschungsdirektor am Zentrum für Sozialforschung in Halle-Saale, holte die sich abzeichnende Debatte über Sinn und Zweck einer Kommunal- und Gebietsreform in Thüringen auf die wissenschaftliche Ebene und zeigte anhand von 10 Feststellungen, die er aus vergleichbaren Reformen anderer Bundesländer der letzten Jahre gewonnen hatte, Vor- und Nachteile auf. Es ließe sich sogar wissenschaftlich erklären, warum in Thüringen so starker Gegenwind zur Gebietsreform herrsche. Generell seien Gebietsreformen immer sehr umstritten. Das läge an der örtlichen Verwurzelung. 84 % aller Ostdeutschen fühlen sich vor allem mit ihrem Wohnort verbunden, nur bei den jüngeren ist die Verbundenheit mit dem Bundesland größer als mit dem Wohnort. Und in Thüringen gäbe es einen recht hohen Altersdurchschnitt.

Auch sei die Kritik der Kommunalpolitiker, dass mit größeren Strukturen die Rückkopplung von Gewählten zu ihren Wählern geringer würde, definitiv berechtigt. Es kam jedoch bei nahezu allen Gebietsreformen tatsächlich zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Verwaltung. Prof. Holtmann relativierte jedoch umgehend, dass die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Verwaltung weniger durch finanzielle Einsparung bedingt war. Holtmann schloss seinen Vortrag mit einem Fazit für Thüringen: „Eine Kreis- und Gemeindegebietsreform in Thüringen ist zwingend geboten.“ Er begründete dies mit der Überalterung sowie dem Bevölkerungsrückgang. Dieser läge zwischen 10,3 % in Gotha und 24,2 % in Greiz.

Der Abend gipfelte in einem von Paul-Andreas Freyer (MDR) moderierten Streitgespräch zwischen Mike Mohring (CDU) und Prof. Benjamin-I. Hoff (DIE LINKE), der erst kurzfristig für den verhinderten Ministerpräsidenten Ramelow einsprang. Freyer eröffnete das Streitgespräch namensentsprechend mit einer recht polarisierenden Frage zum die Gebietsreform vorbereitenden Vorschaltgesetz der Regierung. Aus Mohrings Sicht sei dieses verfassungswidrig und auf seiner Basis keine Kommunalisierung möglich. Opposition, Bevölkerung und Landkreise wurden nicht einbezogen. «Wir stehen nicht für Gespräche zur Verfügung, die auf Basis eines Gesetzes geführt werden, das wir formal und inhaltlich für verfassungswidrig halten», erklärte der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion.

Hoff wünschte sich eine ergebnisorientierte Diskussion zur Kommunal- und Gebietsreform. Das Vorschaltgesetz sei ein wichtiger Schritt und werde von seiner Regierung auch nicht zurückgenommen. So müsse ggf. das Verfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit prüfen.

Doch was hat sich für die Beschäftigten im Land nach zwei Jahren RRG verändert, fragte Freyer die Diskussionspartner. Hoff stellte als positiv heraus, dass es der RRG Regierung gelungen sei, stärker mit den Personalräten und Gewerkschaften zu reden. Im Bereich Polizei habe eine Expertenkommission Veränderungsbedarfe lokalisiert. Mohring konterte prompt mit Zahlen aus dem immer wieder krisengeschüttelten Polizeibereich: 534 unbesetzte Polizeistellen, 90 unbesetzte Verwaltungsstellen seien die Bilanz dieser Regierung. Dazu käme noch die Beleidigung unserer Polizei durch einige Abgeordnete der Linksfraktion.

Hoff zeigte sich erstaunt über die Bilanzziehung von Mohring, dass RRG allein an dieser Situation Schuld tragen soll. Der Kultusbereich sei ebenfalls ein schweres Feld. Hier müsse u.a. im Bereich der Schulverwaltungen im Rahmen der Verwaltungsreform Veränderungen vorgenommen werden. Seine Regierung stelle jedoch im Gegensatz zur CDU geführten Vorgängerregierung jährlich 500 neue Lehrer ein, um dem Stundenausfall zu begegnen. „Sie sind doch angetreten, um vielleicht nicht alles anders, aber vieles besser zu machen“, so Mohring und relativierte die Einstellungszahlen: „Zwei-Drittel aller neu eingestellten Lehrer hat nicht die geforderte Fächerkombination.“ Dass hier am Ende andere Kandidaten eingestellt wurden, sei auch Schuld der neuen Landesregierung, da Stellen zu spät ausgeschrieben und somit auch zu spät eingestellt würde. Man sollte auch in Thüringen erlauben, dass sich Referendare mit dem Zwischenzeugnis bewerben können. Zudem seien die Schulen überfordert mit der vorangetriebenen Inklusion, ohne Personaluntersetzung.

Mohring prognostizierte der RRG Regierung, dass sich perspektivisch auch ein Fachkräfteproblem an den Gerichten abzeichnen würde. „Bis 2020 werden uns 500 Richter fehlen. Doch die Reaktion von RRG auf die sich abzeichnende Situation war die Kürzung von Geldern für Referendare und die Streichung des Beamtenstatus auf Widerruf.“ Fazit war, dass sich die Zahlen der die Referendarausbildung in Thüringen Absolvierenden halbiert habe. „Jede Regierung, egal welche Farbe, muss dafür sorgen, dass es dem Land besser geht und sich nicht allein um seine politische Vorstellung kümmern.“

„Es war ein CDU zugehöriger Finanzminister Voss, der nach außen zwar einen radikalen Stellenabbau gefordert habe, aber keine dementsprechenden Abbauzahlen nachweisen konnte“, entgegnete Hoff und verwies auf das unter der CDU geführten Regierung beschlossene und weiterhin gültige Stellenabbaukonzept, dass zu vielen Handlungen zwinge. Erst eine RRG Regierung habe sich das Konzept vorgenommen und auf Machbarkeit überprüft. „Es ist in den vergangenen 10 Jahren immer allein darüber diskutiert worden, dass es zu viel Personal im öffentlichen Dienst gibt. Wir verlieren bis 2020 jedoch 16.100 Beschäftigte. Wir müssen also weg von einem Stellenabbau und hin zur Personalentwicklung“, konstatierte Hoff.

In der anschließenden Publikumsrunde wurde das Podium durch Prof. Holtmann und OB Wolf ergänzt. Fragen kamen zur Situation junger Beschäftigter in den Kommunen von der Vertreterin der tbb jugend Mareike Klostermann. Diese sah in den bisherigen Äußerungen keinen Willen, junge befristet Beschäftigte in den Kommunen im Rahmen der Verwaltungsreform zu schützen. Kritik wurde auch durch den BDF Vorsitzenden Schiene an der Tatsache geübt, dass der Forstbereich, trotz Reform in den letzten Jahren, wieder in die Betrachtungen zu einer weiteren Verwaltungsreform einbezogen wurde.

Der amtierende Vorsitzende des BRH Seniorenverbandes Jürgen Pfeffer erinnerte die Vertreter von Regierung und Opposition daran, dass sie alle den Menschen in Thüringen verpflichtet seien. Er führt als Beispiel für schlechte Politik auf beiden Seiten das Behindertengleichstellungsgesetz an. 10 Jahre CDU-Regierung sowie zwei Jahre RRG haben es nicht geschafft, ein solches endlich auf den Weg zu bringen. Das gleiche gelte für das Seniorenmitwirkungsgesetz, das dringend überarbeitet gehöre. Pfeffer fragte Mohring mit Blick auf die vorangegangenen Debatten rhetorisch, wann denn die meisten aus der Bevölkerung abgewandert seien.

Mohring räumte ein, dass schwierige Jahre des Aufbaus hinter ihnen lägen, aber mittlerweile sich die Ausgangslage verändert habe und die Leute zurück kämen. Tatsache sei, dass die Union nach 25 Jahren ein wirtschaftlich stabiles und solides Bundesland mit moderner Infrastruktur und einer funktionierenden Verwaltung „an die Dunkelroten übergeben“ hat. Um dahin zu kommen, hat es nach der Wende freilich viel Geld und Arbeit gebraucht. Das konnte nur über Schulden finanziert werden. Das war aber 40 Jahren sozialistischer Misswirtschaft geschuldet. Unter Lieberknecht wurde ja dann auch wieder mit dem Schuldenabbau begonnen. So schlecht können die Regierungen seit 1990 in Thüringen nicht gewesen sein, immerhin stehen wir besser da als die meisten anderen ostdeutschen Bundesländer!

Liebermann schloss die Veranstaltung mit dem Dank an alle Beteiligten. Die unparteiische, aber streitige Zusammenarbeit mit den politischen Entscheidungsträgern bleibe der Beitrag des tbb zur Gestaltung der Zukunft Thüringens.

Anschließend konnte in kleineren Gesprächsrunden bei einem kleinen Imbiss der persönliche Austausch mit den Politikern und Behördenvertretern gesucht werden.

 

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