19. Juli 2021

VG Weimar und Meiningen

Urteile zur Personalvertretungsrechtliche Allzuständigkeit in Thüringen

In zwei Beschlüssen zum Thüringer Personalvertretungsrecht stärken das VG Meiningen (3P 74 /21 Me) und das VG Weimar (Az: 4E 315/21 We) die Rechte der Thüringer Personalvertretungen hin zu einer vom Gesetzgeber gewollten Allzuständigkeit.

Nach Auffassung beider Gerichte, ist der Personalrat bei allen personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen zu beteiligen. Dieses Mitbestimmungsrecht im Sinne einer umfassenden Allzuständigkeit beansprucht uneingeschränkte Geltung, nach Auffassung der Gerichte. So führte das VG Weimar ausdrücklich aus: „Es ist daher nicht fraglich, ob der zuständige Personalrat zu beteiligen ist oder nicht. Er ist immer zu beteiligen vorbehaltlich einzelner gesetzlicher Ausnahmen ... Zu klären ist im Einzelfall lediglich, ob der Personalrat bzw. genauer die Einigungsstelle ein volles oder eingeschränktes Mitbestimmungsrecht hat …“.

Der Thüringer Gesetzgeber hätte im Wortlaut des Thüringer Gesetzes vom 28. Mai 2019 zur Anpassung personalvertretungsrechtlicher Vorschriften (GVBl. S. 123), nach Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften und durch den bewussten Bezug auf das Schleswig-Holsteinische Mitbestimmungsgesetz seinen klaren Willen bekundet, eine umfassende Allzuständigkeit der Personalvertretungen in Thüringen einzuführen. Dies entspräche der Gesetzgebungsgeschichte und dem überwiegenden Gesamtbild der parlamentarischen Materialien. Der Beispielkatalog in § 73 Abs. 1 – 3 ThürPersVG hätte nur Bedeutung für den Umfang der Befugnisse der Einigungsstelle nach § 72 Abs. 5 ThürPersVG und dem Geltungsbereich der vollen oder eingeschränkten Mitbestimmung (und eben nicht auf den Umfang der Mitbestimmung). „Nur für die Fallgruppen in Abs. 5 und 6 schließt der Gesetzeswortlaut die Mitbestimmung ausdrücklich und vollständig aus; konkret gilt dies für innerdienstliche Weisungen (vgl. auch § 90 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a. ThürPersVG), für Personalangelegenheiten leitender Beamte ab Besoldungsgruppe A 16 ThürBesO und für politische Beamten nach § 30 BeamtStG, außerdem beim Erlass von Rechtsvorschriften, bei Organisationsentscheidungen und in Fällen, in denen nach gesetzlichen Bestimmungen die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und Berufsverbände zu beteiligen sind. Entsprechendes gilt für die Teil-Einschränkungen der Mitbestimmung bei den Fallgruppen in § 69 Abs. 3 und 4 ThürPersVG, indem dort ausdrücklich Antrags- und Zustimmungserfordernisse vorgegeben werden.“

Die Landesregierung vertrat bislang die Auffassung, dass zur Klärung der Frage, ob ein Sachverhalt der Mitbestimmung nach dem Thüringer Personalvertretungsgesetz unterfällt, zunächst zu prüfen sei, ob dieser in den Katalogen des §§ 72 Abs. 5 und 73 ThürPersVG ausdrücklich erwähnt wird. Sei dies nicht der Fall, sei in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Maßnahme mit einer ausdrücklich in § 73 ThürPersVG genannten Maßnahme in ihren Auswirkungen auf die Dienststelle und die Beschäftigten nach Art und Bedeutung vergleichbar ist. Damit wurde der „Allzuständigkeit“ der Personalräte trotz entgegen stehendem Willen der Gesetzgeber bislang eine Absage erteilt.

Dieser Auffassung erteilten die Gerichte nunmehr eine explizite Absage.

Quelle:

Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Weimar (Az: 4E 315/21 und 4 E 397/21) und Meiningen (3P 74 /21 Me).

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