25. April 2021

Digitalisierung

Wie der Staat digitaler werden kann

Kontakt-Verfolgung per Fax, Warnapp ohne Wumms - die Pandemie legt aus Sicht von Kritikern digitales Staatsversagen schonungslos offen. „Wir brauchen einen Staat, der gegen globale Krisen gewappnet ist, die mit voller Wucht auch auf die Menschen in Deutschland durchschlagen“, sagte dbb Chef Ulrich Silberbach der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am 25. April 2021.

Silberbach sagte, der Kompetenzwirrwarr zwischen Bund, Ländern und verschiedenen Behörden behindere die Digitalisierung. Ein Beispiel dafür seien die Gesundheitsämter: Anfang Februar hatten 151 der 376 Gesundheitsämter die Corona-Software „Sormas“ genutzt, mit der Kontakte von Corona-Infizierten effizienter nachverfolgt werden sollen. Der dbb hat mit Mitarbeitern von Gesundheitsämtern über die Arbeitsabläufe gesprochen. „Das Ergebnis ist ernüchternd“, so Silberbach. Ein Mitarbeiter schilderte, er müsse in der digitalen Akte an 16 verschiedenen Stellen den Namen einer infizierten Person eingeben. „Das hat nichts mit smarter Digitalisierung zu tun.“

Datenschutz und Corona-Warnapp

Datenschutz sei wichtig, sagte Silberbach. „Aber bei den entscheidenden Daten im Kampf gegen das Coronavirus übertreiben wir es in Deutschland derzeit damit." Die Gesundheitsgefahren seien größer als die Risiken einer automatischen Weitergabe zentraler Infos: Wurde jemand positiv getestet? Wo war sie oder er seither? „Millionen Menschen lassen es rund um die Uhr ohne Bedenken zu, dass die Google-Dienste etwa bei der Standortermittlung diese Daten absaugen.“ Aber bei der Corona-Warnapp gebe es keine Lokalisierung der Nutzer. „Wenn die Menschen nicht selbst eingeben, wenn sie positiv getestet wurden, bringt sie nicht mehr als ein Briefbeschwerer“, sagte Silberbach gegenüber der dpa.

Vernetzung

Silberbach wies auf eine weitere große Schwachstelle für Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltung hin. „Es gibt keine standardisierte Möglichkeit für die unterschiedlichen Behörden, sich schnell zu vernetzen und die nötigen Stammdaten auszutauschen, wenn jemand zum Beispiel einen Antrag auf Elterngeld oder andere Leistungen stellt. Hierfür wäre es nötig, den Bürgerinnen und Bürgern eine ID-Kennung zuzuweisen, diese in den Datensätzen bei allen Behörden hinzuzufügen und den unterschiedlichen Dienststellen dann in vorher festgelegten und transparent nachvollziehbaren Fällen zu erlauben, diese Daten zu benutzen.“ Das solle nun zwar mit der Steuer-Identifikationsnummer auch passieren. Der Bundesrat hatte Anfang März ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Silberbach meinte aber, es komme reichlich spät.

„Dazu kommt, dass wir in Deutschland digitale Tools meist erst einsetzen, wenn sie zu 110 Prozent geprüft sind“, stellte Silberbach fest. „In der Zwischenzeit kommen von allen möglichen Seiten Wünsche, was das Instrument unbedingt noch können muss oder keinesfalls darf.“ Bis es dann wirklich starte, sei es meist technisch schon veraltet oder so überfrachtet, dass es gar nicht richtig funktioniere.

Mit Spannung erwartet der dbb, welche Prioritäten die Parteien im beginnenden Bundestagswahlkampf setzen. Silberbach meinte: „In den vergangenen Jahren war der politische Mainstream, dass der Staat nicht allzu viel kosten darf.“

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