Bundesverwaltungsgericht
Auflösung von Stellenblockaden während eines beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahrens
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat heute entschieden, dass der Abbruch eines Auswahlverfahrens um einen Beförderungsdienstposten mit der Begründung, die dienstliche Beurteilung eines Mitbewerbers sei nicht mehr aktuell, dann ohne sachlichen Grund erfolgt, wenn die dienstliche Beurteilung - wie hier - nicht länger zurückliegt als der Regelbeurteilungszeitraum und es auch keinen Grund für eine Anlassbeurteilung gibt. Die Notwendigkeit einer neuen aktuellen dienstlichen Beurteilung und damit ein sachlicher Abbruchgrund folgen nicht aus dem Umstand, dass der Dienstherr die Aufgaben des streitbefangenen Beförderungsdienstpostens einem Mitbewerber (in diesem Fall dem Führer der Konkurrentenklage) übertragen hat.
Achtung das folgende Urteil betrifft nur die – selteneren - Fälle in denen das Funktionsamt erst im laufenden Konkurrentenstreitverfahren durch einen Mitbewerber kommissarisch besetzt wird! Nicht von diesem Urteil betroffen sind Fälle, in denen das Funktionsamt bereits vor einer Stellenausschreibung kommissarisch (typischer Fall: Altersteilzeit) besetzt wurde:
Die antragstellende Beamtin bewarb sich um einen höherwertigen Dienstposten (eine Referatsleitung) beim Bundesnachrichtendienst. Nachdem die Auswahlentscheidung zu Ihren Gunsten ergangen war, teilte der Dienstherr ihr mit, dass die Entscheidung auf den Widerspruch eines Mitbewerbers aufgehoben und das Auswahlverfahren ha-be abgebrochen werden müssen, weil für den Mitbewerber keine hinreichend aktuelle dienstliche Beurteilung mehr vorgelegen habe. Ebendiesem Mitbewerber hatte die Behördenleitung zwischenzeitlich die Aufgaben des streitgegenständlichen Dienstpostens kommissarisch übertragen.
Das für Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes erstinstanz-lich zuständige Bundesverwaltungsgericht hat der Bundesrepublik Deutschland im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, das abgebrochene Stellenbeset-zungsverfahren fortzusetzen, und dazu im Wesentlichen ausgeführt:
Der Abbruch eines Auswahlverfahrens um einen Beförderungsdienstposten mit der Begründung, die dienstliche Beurteilung eines Mitbewerbers sei nicht mehr aktuell, erfolgt ohne sachlichen Grund, wenn die dienstliche Beurteilung - wie hier - nicht län-ger zurückliegt als der Regelbeurteilungszeitraum und es auch keinen Grund für eine Anlassbeurteilung gibt. Die Notwendigkeit einer neuen aktuellen dienstlichen Beurtei-lung und damit ein sachlicher Abbruchgrund folgen nicht aus dem Umstand, dass der Dienstherr die Aufgaben des streitbefangenen Beförderungsdienstpostens einem Mit-bewerber übertragen hat. Ein dadurch ggf. erlangter Bewährungsvorsprung dieses Mitbewerbers muss vielmehr - im Gegenteil - zur Vermeidung einer unzulässigen Be-vorzugung dieses Bewerbers im Auswahlverfahren „ausgeblendet“ werden, d.h. unbe-rücksichtigt bleiben.
Das Ausblenden eines etwaigen Bewährungsvorsprungs bei rechtswidriger Dienstposteninhaberschaft wird ermöglicht durch eine „fiktive Fortschreibung“ der dienstlichen Beurteilung (für den Bereich der Bundesbeamten gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 der Bundeslaufbahnverordnung – BLV, für den Landesbereich § 34 Abs. 2 S. 1 ThürLbG). Die „fiktive“ Komponente erfordert in dieser Konstellation nur, dass die aus der Aufgabenwahrnehmung des höherwertigen Dienstpostens folgenden Besonderheiten (z.B. die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben) in der dienstlichen Beurteilung unberücksichtigt bleiben. Das Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung ermöglicht so die Vergabe von Funktionsämtern während des Laufs von beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren um die Vergabe des Statusamts und vermeidet damit das in dieser Fallkonstellation offenkundig werdende Problem der Stellenblockade. Die Vergabe des Funktionsamtes selbst unterliegt dabei nicht den Vorgaben der Bestenauswahl, solange eine Vorwirkung auf die nachfolgende Statusamtsvergabe vermieden wird.
Das BVerwG hat jedoch auch klargestellt, dass das Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung von dienstlichen Beurteilungen die Vergabe von Funktionsämtern während der Dauer eines beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahrens ermöglicht und vermeidet damit das in dieser Fallkonstellation offenkundig werdende Problem der Stellenblockade. Die Vergabe des Funktionsamtes selbst unterliegt dabei nicht den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG, solange eine Vorwirkung auf die nachfolgende Sta-tusamtsvergabe vermieden wird.
Der Funktionsamtsinhaber (der nicht das entsprechende Statusamt hat) kann aber gegenüber seinem Mitbewerber um das Statusamt nicht ein eventuell entstehender Bewährungsvorsprung oder andere aus der Aufgabenwahrnehmung des höherwertigen Dienstpostens folgenden Besonderheiten (z.B. die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben) geltend machen. Diese müssen in der dienstlichen Beurteilung unberücksich-tigt bzw. ausgeblendet bleiben.
Quelle: BVerG Pressemitteilung Nr. Nr. 51/2016 zu BVerwG 2 VR 2.15