18. April 2024

Beamte müssen loyal sein – aber nicht immer gehorsam

Die Vertrauensreserve des Staates

Was tun, wenn der Vorgesetze ein Extremist ist? Diese Frage stellt sich drängender denn je seit Inkrafttreten des Grundgesetzes vor 75 Jahren. Gemeinsam mit Jura-Professorin Anna Leisner-Egensperger von der Uni Jena nahmen Thüringer Beamte „Die Grenzen der Loyalität im öffentlichen Dienst“ am Mittwochabend in den Blick.

Beamte sind verpflichtet, die dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen – so steht es im Beamtenstatusgesetz. Die Loyalität zum Vorgesetzten ist wichtig – einerseits. Andererseits tragen Beamte für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung, dienen dem ganzen Volk und nicht einer Partei und sie müssen ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht erfüllen. Von Beamten verlangt das Gesetz, dass sie sich zur freiheitlich demokratischenen Grundordnung bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Die Loyalität zum Rechtsstaat, die Bindung an Recht und Gesetz können die Folgepflicht gegenüber dem Vorgesetzten überwiegen. Beamte haben einen Eid auf die Verfassung geleistet, nicht auf Personen.

„Gemeint ist damit nicht eine Verpflichtung, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Gemeint ist vielmehr die Pflicht zur Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik üben zu dürfen, für Änderungen der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. An einer "unkritischen" Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben (BVerfG Beschluss, sog. Radikalenbeschluss, vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73).“

Angestellte im öffentlichen Dienst schulden ebenso ein Mindestmaß an Verfassungstreue. Auch für sie gilt das Verbot anzustreben, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen (Bundesarbeitsgericht, BAG, Urt. v. 06.09.2012, Az. 2 AZR 372/11). Die Verfassungstreuepflicht ergibt sich hier aus § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L.

Die hohe Popularität politisch randständiger bis extremistischer Positionen erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der eigene Vorgesetze, oder die Organisation, der er angehört, vom Verfassungsschutz als ein Verdachts- oder Prüffall auf Extremismus eingestuft wird – was im berufliches Umfeld natürlich oftmals gar nicht bekannt sein dürfte. Eine solche Einstufung und etwaiges Wissen darum führen nicht automatisch dazu, dass Weisungen rechtswidrig oder gar unbeachtlich werden. Auch kann aus einer Einstufung des Vorgesetzten als Prüffall nicht auf die Rechtswidrigkeit oder gar auf die Unbeachtlichkeit einer Weisung geschlossen werden.

Ist der Vorgesetzte bekanntermaßen ein Extremist, ändert das erstmal nichts daran, dass die Pflicht zum Gehorsam prinzipiell bestehen bleibt. Andererseits können jedoch genau diese Umstände Anlass dafür sein, sehr genau zu prüfen, ob eine Weisung wirklich rechtmäßig ist. Anders gewendet: Auf den Inhalt einer dienstlichen Anordnung kommt es an.

Der Staat, so erläuterte Professorin Leisner-Egensperger den knapp 90 Teilnehmern, habe Interesse an einer kritischen Beamtenschaft und diese erfülle die Funktion einer Vertrauensreserve. Im Zweifel muss der Beamte förmlich remonstrieren. Das bedeutet, er muss seine Bedenken klar beim Vorgesetzten vorbringen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, ist sie dem nächsthöheren Vorgesetzten vorzulegen. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen rechtlichen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.

Der Thüringer Beamtenbund (tbb) und der Verband der Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes in Thüringen (VHDT) als Initiatoren der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung im Thüringer Landtag weisen darauf hin, dass sich Betroffene im Zweifelsfall an ihre Personalräte oder Gewerkschaftsvertreter wenden können und sollten. Beide Verbände sehen das Hauptziel des Abends erreicht.

zurück